Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
Vom Netzwerk:
fühlte sich völlig fehl am Platz zwischen den Bäuerinnen und Bauern, die zum Teil noch mit dem Aufbau ihrer Stände beschäftigt waren. Das Maultier hatte sie ausgespannt und weiter hinten angepflockt, wo es nun träge mit einigen anderen Zugtieren abwechselnd graste und döste. Geschwätz umwehte sie. Sie schaute sich um. Niemand schien Notiz von ihr zu nehmen. Zu ihrer Erleichterung erblickte sie kein bekanntes Gesicht in ihrer Umgebung. Neugierige Fragen, was denn wohl die Tochter von einem der bekanntesten Stammesführer der Cherusker hier zu suchen habe, standen ihr also nicht bevor. Es war sowieso ziemlich unwahrscheinlich, dass man sie im Land der Brukterer kannte. Die Nacht hatte sie auf dem Gehöft eines Freundes von Irmin verbracht, ebenfalls ein Brukterer, der über den ungeheuerlichen Plan ihres Cousins und ihren Auftrag informiert war. Dort war sie auch mit den Requisiten ihrer Tarnungausgestattet worden: dem Maultierkarren, der Ware und der kratzigen Bauernkleidung. Sie hatte das Gefühl, als stünde es auf ihrer Stirn geschrieben: Ich bin hier, um zu spionieren.
    Ihr Blick schweifte über den Lagerkomplex, der aus mehreren Anlagen bestand. Das Hauptlager thronte hinter einem doppelten Graben und einer Palisade auf einer sanften Anhöhe und das Tor war schon geöffnet. Zwei Legionäre standen vor der Durchfahrt. Ansonsten hatte sich von den Römern noch niemand blicken lassen. Unterhalb des Lagers plätscherte der Fluss dahin. Hinter einer Schleife lag eine locker gestreute Ansiedlung, in der sich Handwerker und Händler vor allem aus dem Stamm der Brukterer, aber auch aus dem der weiter südlich beheimateten Marser angesiedelt hatten, um Geschäfte mit den Römern zu machen. Und gute Geschäfte schienen in der Tat bevorzustehen: Wie sie von Irmin wusste, war vom Rhein her eine gewaltige Streitmacht aus drei Legionen im Anmarsch, die sich hier sammeln und dann weiter ins Land marschieren sollte – ins Land der Stämme, die sie für ihre Verbündeten hielten, und schließlich in die Falle, die Irmin und seine Mitverschwörer vorbereiteten.
    Beim Anblick des gewaltigen Lagers erschien ihr der Plan ihres Cousins, in den er sie vor ihrem Aufbruch in groben Zügen eingeweiht hatte, geradezu wahnwitzig. Zwölftausend bis an die Zähne bewaffnete Legionäre mit der ganzen zugehörigen Militärmaschinerie, dazu die Kavallerie und die Hilfstruppen, von denen noch gar nichtsicher war, auf welcher Seite sie am Ende stehen würden. Konnte ein solches Unternehmen überhaupt gelingen? Und selbst wenn es klappte – würden die Römer sich nach einer Niederlage, wie verheerend sie auch sein mochte, tatsächlich geschlagen geben? Oder würde der Hinterhalt nicht erst recht zum Anlass für einen gewaltigen Krieg werden, an dessen Ende die Vernichtung ihres ganzen Stammes stand? Wie viele ihrer Verwandten und Freunde würden dabei ihr Leben lassen müssen? Würde Irmin am Ende selbst in einem Käfig nach Rom gebracht und im Zirkus vor den Augen einer blutrünstigen Menge abgeschlachtet werden wie der kleine Bär, der vor ein paar Tagen von diesem Corvus verschleppt worden war?
Sie machen es wie beim Zureiten von Pferden. Wenn der Gaul dich abwirft, musst du sofort wieder aufsteigen
. Das waren Irmins Worte gewesen. Und jetzt war sie hier mit einem Auftrag, der vielleicht mitentscheidend war für das Wohl und Wehe ihres Stammes. Als sie aufgebrochen war, war sie stolz gewesen, dass man ihr eine so wichtige Aufgabe übertragen hatte. Jetzt aber fühlte sie sich dieser nicht im Mindesten gewachsen.
    Auf der anderen Seite der Siedlung zog sich eine Straße hin, die schnurgerade am Wasser entlangführte, in einiger Entfernung eine steil über dem Fluss aufragende Anhöhe erklomm und vor dem Tor einer weiteren Befestigungsanlage endete: das Lager für die Hilfstruppen, das ebenfalls von einem Graben und einem mit Türmen bewehrten Wall umgeben war. Die Straße wurde rechts von fremdartigenGräbern in allen Formen und Größen gesäumt, in denen die in den letzten Jahren im Dienst ums Leben gekommenen Soldaten beigesetzt waren. Wenn sie schon ihre Toten hier bestatten, dachte Fastrada, dann sind sie sich ihrer Sache ziemlich sicher.
    Eine Gestalt riss sie aus ihren Gedanken. Es war ein Junge in ihrem Alter, nach Aussehen und Kleidung eindeutig ein Römer, der anscheinend aus dem Hauptlager

Weitere Kostenlose Bücher