Silberband 007 - Atlan
und
es hatte so ausgesehen, als wären wir in einer überdimensionalen Waschküche gelandet.
Genau 53,4 Grad Celsius hatten wir gemessen, als wir aus der Schleuse marschierten. Obwohl es
sich um gesunde Menschen handelte, hatten zwei Frauen die Besinnung verloren. Die Wärme an sich
war erträglich, nicht aber die hohe Luftfeuchtigkeit. Sie machte das Klima mörderisch.
Am Horizont begann bereits der Urwald.
Zwei Stunden später waren wir mit Hubschraubern nach Port Venus gebracht worden. Die Stadt lag
850 Meter über dem Meeresspiegel, nur hatte das ausgedehnte Felsplateau, auf der man sie
errichtet hatte, zum Ausbau des Raumhafens nicht mehr ausgereicht.
Immerhin war das Klima in dieser Höhe erträglich, weshalb man die Unterkünfte für die
ankommenden Auswanderer auch hier oben angelegt hatte.
Augenblicklich waren die venusischen Behörden dabei, den Siedlern die vorbestimmten
Landgebiete zuzuteilen. Ich durfte mich nicht ausschließen, wenn ich nicht Argwohn erregen
wollte.
Die Überprüfung unserer Einwanderungspapiere war eine nervenzermürbende Zeremonie gewesen.
Hohe Beamte und erfahrene Dschungeloffiziere hatten teils salbungsvolle, teils sehr hart
klingende Worte gesprochen, in denen die Begriffe ›Krankheiten, Dschungelbestien, giftige
Reptilien, Rodung und klimatische Bedingungen‹ immer wieder vorgekommen waren. Es stand ihnen
allerhand bevor, meinen Freunden aus der GLORIA.
Heute hatte ich zum erstenmal Urlaub erhalten. Sofort nach der Ankunft hatte ich einige Zeilen
geschrieben und sie der anscheinend gut funktionierenden Venuspost anvertraut.
Ich hatte den völlig unverfänglichen Brief vorsichtshalber postlagernd aufgegeben. Wenn Mariis
Gentner mittlerweile schon eingetroffen war, würde sie täglich auf dem Postamt nachfragen.
Ich hatte sehnsüchtig gewartet, bis mir vor einigen Stunden die erhoffte Nachricht
ausgehändigt worden war.
Mein ›guter alter Freund‹ Gunter Vießpahn, der schon vor mir zur Venus gegangen war, hatte
mich zu einem Bummel durch Port Venus eingeladen.
Als mir der Brief in der Ausgabestelle überreicht wurde, hatte mich ein Sergeant des
Sicherheitsdiensts gefragt, wie ich wohl zu dieser Verbindung käme.
Ich hatte ihm das Schreiben gezeigt. Meine Erklärung über den Schulfreund war einleuchtend
gewesen. Warum sollte es hier nicht jemanden geben, der schon lange vor mir zur Venus
ausgewandert war?
Nun saß ich in dem Einschienen-Triebwagen, der den oberen Verwaltungsbezirk des Raumhafens mit
dem Stadtzentrum verband. Es wurde langsam Zeit, mein hautenges Bioplast-Skelett abzulegen.
Bisher war ich nicht durchleuchtet worden.
Mein Extrasinn warnte mich immer wieder vor diesem allzu neugierigen Sergeanten. Warum hatte
er sich für den harmlosen Brief interessiert?
Ich mußte schleunigst herausfinden, ob die Fahndung nach mir auch auf Venus lief. Unter
Umständen konnte der Kontrolloffizier von Nevada Space Port nachträglich doch noch mißtrauisch
geworden sein. Vielleicht hatte er über Funk eine Warnmeldung abgegeben.
Ich brach meine krampfhaften Überlegungen ab. Wenn Mariis gut gearbeitet hatte, brauchte ich
keine Sorgen zu haben. Ich konnte als Siedler in den Dschungel gehen und dort in Ruhe abwarten,
bis sich eine für mich günstige Fluggelegenheit ergab. Unter Umständen konnte ich auch schon auf
Venus eine überlichtschnelle Space-Jet finden, die mich zum Arkonsystem brachte. Die neuesten
Modelle dieser Raumboote hatten einen Aktionsradius, der nur durch die erforderlichen
Überholungsintervalle der Triebwerke eingeengt wurde.
Ich verließ den Zug im Untergrundbahnhof und fuhr mit der Rolltreppe nach oben. Selten zuvor
hatte ich so viele unterschiedlich gekleidete Terraner auf einem Fleck gesehen.
Der große Platz war das Zentrum von Port Venus.
Hier lagen die breitflächigen, stabil gebauten Verwaltungsgebäude der venusischen
Kolonialregierung. Die New-Yorker-Straße zerschnitt die moderne Stadt praktisch in zwei Hälften.
In ihr lagen die Büros und Kaufhäuser der Verwaltung.
Ein etwas altertümliches Taxi mit Gasturbinen-Antrieb brachte mich durch das Menschengewimmel
in eine ruhigere Gegend. Ich prägte mir die einzelnen Straßen gut ein, bis wir vor dem großen Bau
des Erdmuseums hielten.
Ehe ich ausstieg, tastete ich nach den Gegenständen meiner Spezialausrüstung. Ich hatte alles
an mich genommen, was ich vorher so sorgfältig versteckt hatte. Wenn ich zur plötzlichen Flucht
gezwungen wurde,
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