Silberband 010 - Thora
erklärte der
Korporal.
»Um welchen?« fragte Rous.
»Den sechsunddreißigsten, wenn man in der üblichen Weise nach zunehmendem mittlerem
Sonnenabstand zählt. Er hat noch keinen Namen.«
»Was wissen wir sonst noch über ihn?«
»Er ist der größte Planet des Systems«, antwortete der Korporal. »Durchmesser mehr als
zweihunderttausend Kilometer. Methan-Ammoniak-Atmosphäre. Gravitation an der Oberfläche 2,6
Gravos. Mittlere Jahrestemperatur etwa fünf Grad Celsius. Ziemlich kalt also. Natürlich
unbesiedelt.«
Rous winkte ab. »Sagen Sie nicht ›natürlich‹. Die Signale kommen von dort.«
Der Korporal wußte bislang noch nichts von den Signalen und machte ein verwirrtes Gesicht.
Marcel Rous störte sich nicht daran.
Er dachte angestrengt nach. Eine Idee war ihm plötzlich gekommen – so verblüffend und
unwahrscheinlich, daß er sie gleich wieder verwerfen wollte. Aber sie faszinierte ihn, und halb
blieb er an ihr hängen. Er zerbrach sich den Kopf darüber und fand heraus, daß das, woran er
dachte, zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich war. Wenn sich seine Idee bewahrheitete, dann
würde von hier, von Hades aus, eine der größten Sensationen der irdischen Geschichte aufgerollt
werden.
Wie kam ein Terraner, der wenigstens zwei Buchstaben des alten Morsealphabets kannte, auf
einen Methanplaneten des Druuf-Systems? Doch gewiß nicht freiwillig. Also entweder durch Havarie
oder als Gefangener der Druuf. Die Möglichkeit einer Havarie schied fast mit Gewißheit aus.
Seitdem der Stützpunkt auf Hades bestand, hatte kein Terraner es mehr nötig gehabt, sich den
Gefahren eines Direktflugs auszusetzen. Er hätte sich von einem in der Nähe der Überlappungszone
wartenden Schiff per Transmitter nach Hades befördern lassen.
Also als Gefangener der Druuf. Wo war den Druuf jemals ein terranisches Raumschiff in die
Hände gefallen? Wo hatten sie terranische Gefangene machen können? Wer von den Mitgliedern der
terranischen Flotte wurde vermißt?
Captain Rous bildete sich nicht ein, man hätte ihn informiert, wenn irgendwo ein einfacher
Soldat den Druuf in die Hände gefallen wäre. Das konnte der Fall sein. Aber Rous glaubte nicht,
daß ein einfacher Soldat in der Lage wäre, sich eines Gravitationsgenerators zum Senden von
Morsezeichen zu bedienen.
Es gab aber vier Leute, die die Menschheit seit zehn Tagen vermißte und von denen sie bisher
mit Sicherheit geglaubt hatte, daß sie tot waren – von arkonidischen Bomben beim Angriff auf
Gray Beast überrascht. War es möglich, daß diese vier wider alle Erwartung von Gray Beast
entkommen und den Druuf in die Hände gefallen waren?
Captain Rous prüfte sein Gewissen. War der Wunsch Vater des Gedankens?
Nein. Bislang gab es schließlich keinen Beweis dafür, daß Perry Rhodan wirklich tot war.
Der Raumsektor, in dem die CALIFORNIA nach einer weiten Transition über mehr als
sechstausend Lichtjahre hinweg auftauchte, wimmelte von Spuren fremder Raumschiffe. In den
kleinen Ionisationskammern, die zum Nachweis kleinster Partikel auf der Außenhaut der CALIFORNIA
angebracht waren, erzeugten die Rückstände von Plasmatreibstoff ganze Lawinen von Impulsen. Die
Kristalldetektoren, auf die charakteristischen Emissionswellenlängen von Plasmatriebwerken
eingestellt, registrierten einen Lichtblitz nach dem anderen. Die Blitze waren zwischen zehn und
hundert Millionen Kilometer von der CALIFORNIA entfernt, und die Schiffe, aus deren Triebwerken
sie kamen, bedeuteten vorerst keine Gefahr für den terranischen Kreuzer.
Das konnte sich jedoch ändern. Aus einer Million Kilometer Entfernung würde die CALIFORNIA als
Lichtpünktchen auf den Bildschirmen der feindlichen Schiffe auftauchen, und von diesem Augenblick
an waren ihre Chancen, unbehelligt davonzukommen, mehr als gering.
Die arkonidische Blockadeflotte, die darauf achten sollte, daß kein Druuf-Schiff durch die
Überlappungszone in das Einsteinuniversum vorstieß, bestand aus dreißigtausend Einheiten. Es
würde den Arkoniden nicht schwerfallen, ein paar hundert davon abzustellen, um auf einen
einzelnen terranischen Kreuzer Jagd zu machen. Die CALIFORNIA war zwar schnell und wendig, aber
dafür nur relativ schwach bewaffnet.
Conrad Deringhouse hatte das Kommando über das Schiff in Major Ostals Händen gelassen. Clyde
Ostal war das, was man im Flottenjargon einen ›alten Hasen‹ nannte. Er wußte, worauf es bei
diesem Einsatz ankam. Er hatte Erfahrung mit der
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