Silberband 013 - Der Zielstern
Hindernisse
nicht erkennen. Das Weitergehen wurde schwieriger, als sie den freien Platz überquert hatten und
in den Wald gelangten.
In diesem Augenblick begann am entgegengesetzten Ende des Baumhüttendorfs ein gewaltiger
Spektakel. Erschrocken blieb Pincer stehen. Eine ganze Armee schien dort ein höllisches Konzert
zu veranstalten.
Er hörte Schnitz leise kichern.
»Das Kankantz, Lupatz und Tonitutz«, erklärte der Eingeborene. »Machen großen Trick.
Feindlicher Stamm rennen in verkehrte Richtung. Geben Ohneflügler Zeit für Flucht.«
In den Baumhütten wurde es lebendig. Gekrächze und schrille Stimmen ertönten. In der
Dunkelheit waren die Geräusche fliegender Eingeborener zu hören. Das ganze Dorf war in Aufruhr.
Schnitz schlug nun ein schnelleres Tempo ein. Sie mußten jetzt nicht mehr auf Stille achten, da
der Lärm im Dorf alles übertönte. In weiter Ferne schrien sich Schnitz' Freunde ihre dünnen Hälse
wund.
Mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit bahnte sich Schnitz einen Weg durch den Wald. Das
Geheul der Dorfbewohner pflanzte sich in anderer Richtung fort und war schließlich kaum noch zu
hören.
»Bitte, Johnny«, keuchte Cora. »Wir wollen eine kleine Pause einlegen.«
»Machen guten Rauch?« erkundigte sich Schnitz hoffnungsvoll.
Niemand antwortete ihm. Eine Weile war es still, dann hörte Pincer das Vogelwesen noch einmal
fragen, diesmal zaghafter: »Ohneflügler machen Rauch für Schnitz?«
»Sag du es ihm, Johnny«, bat Cora.
Er wird uns verlassen, dachte Pincer. Er wird einfach davonfliegen.
Trotzdem sagte er: »Wir können keinen Rauch machen. Man hat uns die Zigaretten
abgenommen.«
Da es vollkommen dunkel war, konnte Pincer keine Reaktion des Eingeborenen erkennen. Schnitz
schwieg. Er flog aber nicht fort. Cora lehnte sich gegen ihren Mann. Pincer strich ihr sanft über
das Haar.
»Weitergehen«, sagte Schnitz knapp, nachdem einige Minuten verstrichen waren.
Pincer fühlte, daß der Eingeborene enttäuscht war. Schuldgefühl stieg in ihm auf. Cora hatte
mit den Zigaretten angefangen, wenn auch ohne Absicht. Dann jedoch hatten sie die Schwäche der
Eingeborenen für ihre Zwecke ausgenutzt.
»Wenn du willst, kannst du zu deinen Freunden zurück«, sagte Pincer.
»Ohneflügler sind Freunde«, erklärte Schnitz kategorisch.
Sie erreichten die Funkstation der Springer bei Morgengrauen. Es war ein eckiges Gebäude am
Rande einer Lichtung. Daneben befand sich ein kleines Landefeld, groß genug, um einen Gleiter
aufzunehmen. Aber es war keines der Springerboote zu sehen. Alles wirkte ruhig und verlassen.
Schnitz blieb stehen. Cora war am Ende ihrer Kraft.
»Es scheint niemand da zu sein«, sagte Pincer mit gedämpfter Stimme.
»Drei Eingeborene vermutlich im Innern von Station«, erklärte Schnitz. »Ohne Waffen.
Ohneflügler können sicher überlisten.«
Pincer war davon nicht so überzeugt. Unschlüssig beobachtete er das Gebäude. Wenn er dort
einen Hypersender fand, konnte er die Erde oder ein terranisches Schiff erreichen und über Funk
von seinen Entdeckungen berichten. Er schwankte zwischen Zuversicht und Furcht. Die ganze Zeit
über hatte er diese Stelle erreichen wollen, und nun, da er hier war, konnte er sich nicht
entschließen, sein Vorhaben mit aller Energie auszuführen.
Auf die Dauer konnte er den Händlern nicht entkommen, darüber war er sich im klaren. Früher
oder später würden sie Cora und ihn gefangennehmen. Wenn er jetzt einen Funkspruch absetzen
würde, konnte es sich bestimmt nur noch um Stunden handeln, bis sie in die Hände der Feinde
fielen.
»Ich werde mich an das Gebäude heranschleichen«, sagte er schließlich. »Schnitz, ich möchte,
daß du bei meiner Frau bleibst. Wenn sich irgendeine Gefahr zeigen sollte, fliehe mit ihr. Nimm
keine Rücksicht auf mich.«
»Schnitz werden wachen auf Ohneflügler-Frau«, versprach das Vogelwesen.
Cora drängte sich an Schnitz vorbei.
»Ich glaube, daß ich da auch noch ein Wort mitzureden habe«, sagte sie. »Ich werde
mitgehen.«
Pincer sah sie unglücklich an. Beschwörend hob er seine Arme.
»Du brauchst nichts zu erklären«, sagte Cora schnell. »Ich bin mit dir gegangen, bis
hierher – und ich werde auch weiter mit dir gehen.«
Schnitz kicherte.
»Glauben, nicht viel Zweck hat, noch viel reden, Ohneflügler«, meinte er.
»Das glaube ich auch«, erklärte Pincer. »Gehen wir also. Ich danke für deine Hilfe,
Schnitz.«
Schnitz sah ihn einen Augenblick
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