Silberband 014 - Rhodans Sohn
Einschnitt gesehen, der durch den Überhang fast senkrecht nach
unten führte und einen einigermaßen bequemen Zutritt zum Rand der Schlucht gestattete. Ron wußte,
daß er dort hinunter mußte, wenn er den Priester retten wollte – retten, damit dieser ihm
Aufschluß über die merkwürdigen Dinge geben konnte, die sich in den vergangenen Tagen auf Utik
ereignet hatten.
Larry blieb mit seinem Gleiter in der Luft. Er hielt über der Mitte der Schlucht, so daß er
sowohl den Priester als auch Rons Flugzeug im Auge behalten konnte. Ron ließ Meech zuerst
aussteigen und sich vergewissern, daß der Gleiter sicher auf dem kleinen Vorsprung stand. Dann
schwang er sich selbst hinaus. Sie durchquerten den Überhang und gewannen das letzte Stück steil
abfallender Felswand, das zum Rand der Schlucht hinunterführte. Meech wartete am unteren Ende des
Kamins, bis Ron zu ihm aufschloß.
Die Sonne war mittlerweile hoch gestiegen. Ihre grelle Hitze lag auf dem nackten Gestein, und
die Luft flimmerte in der fast unerträglichen Wärme. Ron beschattete die Augen mit der Hand, um
besser sehen zu können. Unter ihm, nicht weiter als fünfzehn Meter entfernt, lag der Anti auf dem
kleinen, trogförmigen Vorsprung, der seinen Sturz aufgehalten hatte. Seine kostbare Robe war
zerrissen und staubig. Er hatte sich das Gesicht blutig geschlagen, und ein Arm schien gebrochen,
so unnatürlich steif stand er vom Körper ab.
Aber der Mann lebte noch. Ron sah ihn sich aufrichten, auf die Knie kommen und den Hang
heraufspähen. Ron nahm die Waffe zur Hand. Er wußte nicht, wie sich der Anti verhalten würde.
Vielleicht hatte der Sturz seinen Widerstandswillen noch nicht völlig gebrochen. Ron wollte ihm
zurufen, daß er gekommen sei, um ihm zu helfen. Aber er kam nicht dazu.
Etwas warf sich auf ihn. Er konnte es nicht sehen, aber er spürte es deutlich. Es kam von
vorne, mit ungeheurer Macht, mit Gekreisch und Getobe. Es warf ihn aus dem Gleichgewicht. Er
taumelte, nach hinten zwar, aber dabei glitten ihm die Beine unter dem Körper weg. Er stürzte auf
den Rücken und begann die steile Wand hinunterzurutschen. In ohnmächtigem Schrecken erkannte er,
daß nichts mehr seinen Sturz in die Schlucht aufhalten konnte.
Er würde an dem Anti vorbei über den Rand stürzen.
Kalal hatte kein klares Empfinden mehr. Er wußte nicht, ob es sich noch lohnte,
Hoffnung zu hegen oder nicht. Er war nur zornig. Er sah die beiden Fremden, die er im Tempel
schon einmal gesehen hatte, aus dem Kamin auftauchen. Er sah die glitzernden Helme auf ihren
Köpfen und wußte auf einmal, wie sie sich gegen den hypnotischen Einfluß geschützt hatten, den
sein Aktivator verbreitete.
Er haßte sie. Er hatte den Hohen Baalol besiegen und selbst oberster Priester werden wollen.
Diese beiden hatten alle seine Pläne vereitelt.
Er mußte sie töten – selbst dann, wenn er dabei ebenfalls zugrunde gehen sollte.
Er konzentrierte sich, zum letztenmal in seinem Leben – dann schlug er zu.
Meech sprang.
Es war ein verzweifelter Satz, über mehr als drei Viertel der Wand hinunter. Aber er kam über
den stürzenden Ron Landry hinweg, warf sich ihm in den Weg und fing ihn auf.
Zwei Meter unter ihm gähnte der Rand der Schlucht.
Meech begnügte sich nicht damit, daß er seinen Vorgesetzten gerettet hatte. Er sah die Gefahr,
die immer noch dort drüben auf dem Vorsprung lauerte, und handelte.
Er riß seine Kombiwaffe hoch und feuerte einen Schuß in Richtung des Antis ab. Meech sah, wie
der Anti zusammensank. Aber er hatte den Eindruck, daß der Priester noch lebte.
Ron begann sich zu bewegen.
»Dieser Schurke«, knirschte er. »Ich hätte mir glatt das Genick gebrochen.«
Er kam wieder auf die Beine. Mit Meech zusammen ging er zu dem Vorsprung hinüber, auf dem der
Anti lag.
Meechs Schuß hatte ihn in die Brust getroffen.
Aber da war noch etwas, eine Unebenheit zwischen den Rippen, als sei dort etwas unter die Haut
operiert worden. Ron betastete die Stelle mit der Hand, aber als Kalal daraufhin vor Schmerz zu
stöhnen begann, ließ er es sein.
Der Anti schlug die Augen auf. Sie waren verschleiert, als könnte er nicht mehr deutlich
sehen. Er wollte sich aufrichten, blieb eine Weile ruhig und sank dann wieder zurück.
»Verdammt sei der Hohe Baalol auf Trakarat!« ächzte er.
Das war das letzte, was er sagte. Sekunden später war Kalal tot.
28.
Oberst Nike Quinto nahm sich Zeit, den gesamten Utik-Einsatz mit seinen Männern in
Ruhe
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