Silberband 015 - Mechanica
MacDowell.
Sein Name war in kleinen schwarzen Buchstaben auf die Außenfläche der Tür geprägt, die den
Eingang zu seinem Büro bildete: Dr. Chester MacDowell.
Auf der breiten Fensterbank stand ein Aquarium, das hell erleuchtet war und in dem
sich ein einziger Fisch befand, der reglos zwischen den Wasserpflanzen stand. Der Fisch war alt
und häßlich, sein Name war Shelby. Niemand wußte, warum Dr. MacDowell sich nur dieses eine Tier
hielt, aber niemand hatte gewagt, ihn nach dem Grund zu fragen.
Als Joe David in das Büro seines Vorgesetzten eintrat, fiel sein Blick automatisch auf Shelby,
und er dachte: Er lebt immer noch!
Dann wandte er sich Dr. MacDowell zu, der ihn mit kaum wahrnehmbarem Interesse musterte.
»Nun, David?« fragte der Abteilungsleiter, und in seiner Stimme schwang dieser eigenartige Ton
mit, der David irgendwie einstudiert vorkam.
Joe David nahm die Papiere unter seinem rechten Arm hervor.
»Es handelt sich um Azgola, Sir«, sagte er.
Er reichte die Unterlagen über den Tisch, und MacDowells feste, braune Hände griffen
danach.
»Wir haben die ersten Ergebnisse des Robotgehirns von Arkon III erhalten«, bemerkte David mit
jugendlicher Begeisterung. »Sie werden staunen, es gibt Neuigkeiten.«
»Ich danke Ihnen, David«, sagte MacDowell. »Ich werde Sie rufen, sobald ich Sie wieder
benötige.«
Enttäuscht zog sich der junge Mann zurück.
Chester MacDowell klappte die Akte auf, die mit der Aufschrift Azgola versehen war.
Azgola war der zweite Planet von Azgos-Stern, 8.240 Lichtjahre von Arkon entfernt. Die marsgroße,
vegetationsreiche Sauerstoffwelt wurde von zwei Millionen Nachkommen ehemaliger Arkonkolonisten
bewohnt, die sich im Verlauf der Jahrtausende zurückentwickelt hatten und deren technisches
Niveau dem der Menschheit im 19. Jahrhundert gleichkam. Auf Azgola hatten sich vor drei Monaten
Dinge ereignet, die den Einsatz einiger Agenten der terranischen Sonderabteilung III notwendig
gemacht hatten. Die Entwicklung hatte schließlich dazu geführt, daß die gesamte Bevölkerung von
Azgola evakuiert worden war. Auf Azgola hatte sich eine eigenartige Pflanze ausgebreitet, die von
einem Wissenschaftler sehr treffend als Speckmoos bezeichnet worden war. Von diesem Moos, das
praktisch überall wuchs, wo sich Gelegenheit dazu bot, wurden ununterbrochen Sporen in die
Atmosphäre abgegeben, die eine phantastische Wirkung auf alle Lebewesen ausübten, die sie
einatmeten. Die Sporen enthielten zu 80 Prozent hochaktive Fette, die sich sehr rasch im Körper
ablagerten. Ein Gramm Fett dieser Art entwickelte bei der im Körper stattfindenden Verbrennung
einen Wert von rund 10 Kilokalorien. Die restlichen 20 Prozent setzten sich aus Kohlehydraten und
Eiweiß zusammen.
Was den Sporen jedoch völlig fehlte, waren die so wichtigen Vitamine und Mineralstoffe. Die
als spindeldürr bekannten Eingeborenen Azgolas waren beim Eintreffen der terranischen Agenten
derart fett, daß sie sich kaum noch bewegen konnten. Man fand heraus, daß diese seltsame
Vegetation etwas mit zwei Schiffen zu tun haben mußte, die unbekannter Bauart waren und in einem
zeitlichen Abstand auf Azgola gelandet waren. Zunächst war ein kleines, dann ein wesentlich
größeres Schiff erschienen.
Die wissenschaftlichen Teams der Erde, des arkonidischen Imperiums und jene auf den
Ara-Planeten waren jetzt seit fast drei Monaten damit beschäftigt, das Speckmoos näher zu
analysieren. Die Aufnahme der Nährsporen erfolgte durch Tropfinfusion, das heißt, menschliche
oder menschenähnliche Körper nahmen die Sporen durch Atmung oder durch die Haut auf.
Wirtschaftlich gesehen bedeutete die Entwicklung dieser Pflanzen einen gewaltigen Fortschritt,
denn hier bahnte sich eine Möglichkeit an, jedes Ernährungsproblem schnell zu lösen. Zwar zeigten
sich einige schädliche Nebenwirkungen, wie der Mangel an Spurenelementen und Vitaminen, aber
diesen Erscheinungen konnte man einen Riegel vorschieben. Verschiedene Wissenschaftler wiesen
daraufhin, daß es zu Störungen des Verdauungsapparats kommen konnte, wenn die Nährstoffe
ausschließlich über das Blut abgebaut wurden, ohne vorher Magen und Darm zu passieren.
Niemand konnte ausschließen, daß die schädliche Nebenwirkung des Speckmooses sich nicht doch
verhängnisvoll auf den Organismus auswirkte. Es galt zunächst einmal den Ursprung und den Zweck
des Speckmooses zu ergründen, um daraus Schlüsse zur Bekämpfung der Pflanze zu ziehen. Es war
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