Silberband 018 - Hornschrecken
hören.
Wissen Sie – ich kann es schon verstehen, wenn ein Mann hin und wieder einmal schimpft
und dabei Worte gebraucht, die wenig salonfähig sind.
Wenn man aber derart flucht wie dieser Oberpriester, halte ich mir gewöhnlich die Ohren
zu.
Als sich der Rasende etwas beruhigt hatte, bemerkte ich erst, daß er hinter meinem Robot in
Deckung gegangen war. Anscheinend waren bei dem Chaos allerlei Gegenstände umhergeflogen.
Ich kam jedoch nicht mehr dazu, mich über das verdiente Mißgeschick des Unholds zu freuen,
denn eine Sekunde später kämpfte ich schon wieder um mein Leben.
Ich hatte mich einfach geirrt, das war alles. Diese Konstruktion trug die
Stabilisierungskreisel in Magenhöhe. Bei allen anderen Robotern hatte ich die stählernen
Schwungmassen immer nahe dem Becken gefunden, wo sie nach den Gesetzen der Statik auch
installiert sein sollten.
Hier war es anders, und das hatte zur Folge, daß die von magnetischen Stoßfeldern
angetriebenen Kreiselscheiben lebensbedrohend wurden.
Hängen Sie einmal mit einem Körperteil, den ich aus Gründen des Anstands nicht wörtlich
erwähnen möchte, vor scharfkantigen Schwungmassen, die mit vierzigtausend Umdrehungen rotieren.
Jetzt setzte sich der Robot auch noch in Bewegung. Ich klammerte mich an der oberen
Querverstrebung fest, in der Reaktor, Strombank und ein Schaltsegment des positronischen
Gedächtnisspeichers verankert waren.
Mit den Füßen stand ich auf dem hinteren Lager des Vertikalkreisels, dessen Stahlachse nach
meinen Stiefeln zu greifen schien. Bei der geringsten Berührung mußte ich mitgerissen und
zerstückelt werden.
Lange konnte ich mich nicht mehr festhalten. In dem Robot brummte und rumorte es, als wollte
er explodieren. Mein Gehör nahm die Geräusche zehnmal lauter auf, als es ein terranischer Riese
vermocht hätte.
Als ich mir kaum noch helfen konnte, schlug ich auf den Schnellverschluß meines
Rückentornisters, der mitsamt Energieaggregat und Hubkreisler nach unten fiel.
Ein Klingen bewies, daß die Kreisel meine Ausrüstung in irgendeine Ecke des Robotkörpers
befördert hatten. Es ereignete sich aber nichts.
Als ich von der Last befreit war, konnte ich mich endlich nach oben ziehen und in
halsbrecherischer Seiltänzerarbeit die Quertraverse passieren. Ich schlängelte mich zwischen
Reaktor und Umformerbank hindurch, rutschte auf einem Hochstromleiter nach vorn und kam
schließlich auf der Brustseite an.
Erschöpft suchte ich mir einen Halt. Ich brauchte eine Minute, dann war mein sportlich
gestählter Körper wieder fit. Vor allem mußte ich jetzt etwas sehen können. Ich wagte es, die
Mündung meiner Energiewaffe gegen die Brustverschalung zu pressen und den Feuerknopf
niederzudrücken.
Der schwache Breitstrahl schmolz ein Loch in die Wandung. Ich wartete, bis die glutflüssigen
Ränder erstarrt waren und spähte nach draußen. Mein Luk befand sich dicht unter dem Halsstück des
Robots.
Der Robot hatte den Beschuß nicht registriert.
Er marschierte ungerührt weiter, schwenkte seine Waffenarme auf alle möglichen Ziele ein und
folgte dabei einem Anti, in dem ich Mahana-Kul erkannte.
Der feine Herr war offenbar auf der Flucht vor seinen Kameraden. Das führte ich auf den
Zellaktivator zurück, der nach wie vor unter dem Brustumhang des Báalols hing.
Wir waren anscheinend mit einem Fahrstuhl nach unten gefahren. Mein Blickfeld war begrenzt, da
ich mein Gesicht nicht an die Schußöffnung pressen konnte. Sie war noch zu heiß.
Immerhin erkannte ich, daß wir uns tief unter den Tempelbauten befinden mußten. Der Robot
hatte den Drehkranz seiner Waffenarme nach hinten ausgerichtet. Demnach hatte er den Auftrag
erhalten, die Flucht zu decken.
Wahrscheinlich hatte Mahana-Kul sämtliche Kampfroboter mitnehmen wollen. Ich glaubte plötzlich
zu verstehen, warum der Bursche so viel darum gegeben hatte, seine Gefährten vorerst zu
beruhigen.
Die heftige Diskussion hatte ich teilweise mit anhören können. Mahana-Kul hatte es verstanden,
die anderen Vertreter des Báalol-Kults für kurze Zeit zu besänftigen.
Anschließend hatte er sofort gehandelt. Der Mann, den er nachträglich niedergeschossen hatte,
war wahrscheinlich ein Vertrauter gewesen. Die erste Panne hatte der Chef der Eysal-Niederlassung
mit den Kampfrobotern erlebt. Das hatte ihn aber trotzdem nicht entmutigt, in die geheimnisvollen
Tiefen unter dem Tempel zu eilen, wo er sich auf Grund seiner Machtstellung wahrscheinlich am
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