Silberband 018 - Hornschrecken
Kabine?«
Rhodan nickte Hogard zu und verließ dann hinter Gucky die Zentrale.
Bully folgte ihnen.
Seine Finger strichen liebkosend über den leicht pulsierenden Metallgegenstand, der sich
samtweich gegen die Haut seiner Brust schmiegte.
Er spürte die Energie, die ihn plötzlich durchströmte.
Nach zwei Flugtagen näherte sich die NOSTASA der Position des Kunstplaneten
Wanderer, auf dem das unbegreifliche und unsterbliche Wesen existierte, das – nach seinen
eigenen Angaben – aus der Vergeistigung einer uralten Zivilisation hervorgegangen war.
ES oder auch: der Unsterbliche.
Die Orter des Kreuzers sprachen an. Irgendwo in der Leere des Raumes war Materie, wenn sie
auch von einem Zeitfeld eingehüllt war. Wanderer war eine flache und fast ebene Scheibe, über die
sich ein künstlicher Himmel wölbte, mit einer künstlichen Sonne und einer ebenfalls künstlichen,
aber für Menschen geeigneten Atmosphäre.
Wanderer durchzog die Milchstraße. Seine Bahn hatte die Form einer langgestreckten Ellipse.
Einer der beiden Brennpunkte war merkwürdigerweise die Sonne des Solsystems.
Der Planet war relativ klein und nur ein winziges Staubkorn in der Unendlichkeit des Raumes.
Gleichzeitig aber war es auch das erstaunlichste Staubkörnchen der Galaxis. Jeder Gegenstand auf
seiner Oberfläche, ob Gebirge, Meer, Steppen, Gebäude oder Lebewesen, war zu Materie gewordener
Gedanke. Der Unsterbliche formte sich seine Umgebung ganz nach seinem Willen.
Ein materialisierter Traum, hatte Rhodan einmal gesagt.
Die NOSTASA hatte ihre Geschwindigkeit weiter verringert. Halb so schnell wie das Licht
strebte sie auf den noch unsichtbaren Punkt zu, der sich nur auf dem Orterschirm als winziger
Fleck abzeichnete.
Rhodan, Bully und Gucky hielten sich in der Kommandozentrale des Schiffes auf. Mit unbewegter
Miene gab Ten Hogard den Offizieren seine Anweisungen. Manchmal streifte sein Blick Gucky, der
mit auf der Brust verschränkten Armen zwischen Rhodan und Bully stand und Napoleon mimte.
»Entfernung fünf Lichtminuten. Geschwindigkeit verringern.«
Der Fleck auf den Schirmen wurde deutlicher. Dann wurde Wanderer auch auf den normalen
Bildschirmen sichtbar. Das Zeitfeld schien nicht mehr vorhanden zu sein. Ungehindert konnte man
bis auf die Oberfläche hinabsehen.
Immer näher schob sich die NOSTASA an den Planeten heran.
»Wir sollten nicht nähergehen«, sagte Rhodan plötzlich. »Ein Gefühl warnt mich. Wenn wir dort
landen, gibt es eine Katastrophe.«
Bullys Hand fuhr unwillkürlich zur Brust. Als er den Zellaktivator spürte, schien ihn zugleich
eine ungeahnte Zuversicht zu durchströmen.
»Der Unsterbliche würde uns warnen, wenn eine Gefahr bestünde.«
»Warum sollte er?« Rhodan schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich habe Wanderer noch nie ohne
Zeitfeld erlebt. Gucky, was meinst du?«
Der Mausbiber tat so, als sei er überrascht, dabei hatte er bestimmt die Absicht einer Frage
in Rhodans Gehirn rechtzeitig erkannt. Aber er tat ja immer so, als spioniere er niemals in den
Gedanken der anderen herum.
»Verdächtig, äußerst verdächtig«, murmelte er und schob die andere Hand unter den
Rockausschnitt. »Wir sollten mal den Unsterblichen fragen. Der weiß doch sonst alles.«
»Das ist vielleicht ein schlauer Ratschlag«, kritisierte Bully. »Als ob wir nicht von selbst
daraufgekommen wären. Dann frag doch mal jemand, der gar nicht da ist.«
Gucky maß ihn von oben bis unten, wobei er sich fast den Hals verrenkte.
»Der ist schon da – irgendwo um uns. Unsichtbar und nicht zu erfassen. Auch telepathisch
nicht. Aber was verstehst du schon davon?«
»Ruhe!« befahl Rhodan. »Streitet euch später. Im übrigen hat Gucky recht. Der Unsterbliche
hört und sieht uns. Wenn er uns etwas zu sagen hätte, könnte er es jederzeit tun. Warten wir
also.«
Die NOSTASA hatte ihre Geschwindigkeit jetzt soweit verringert, daß sie in eine Kreisbahn um
den Kunstplaneten einschwenken konnte. Die Orter registrierten die Welt zwar, aber die
Massetaster sprachen nicht an. Wenn man ihnen glauben wollte, besaß Wanderer überhaupt keine
Masse.
In der Vergrößerung war die Oberfläche gut zu erkennen. Meere wechselten ab mit weiten Ebenen
und hohen Gebirgen. Eine Landschaft, die morgen schon ganz anders aussehen konnte, je nach Laune
ihres Schöpfers.
Die Hallen und Gebäude, in denen das Physiotron für die Zelldusche untergebracht gewesen war,
tauchten nicht auf. Sie waren verschwunden, als
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