Silberband 019 - Das Zweite Imperium
hinaus und stand auf. Mit dem Daumen drückte
er die Sendetaste und sagte langsam und inbrünstig: »Gott sei Dank, Jungens, es war auch höchste
Zeit.«
John Pohl empfing den Spruch, als er gerade am zehnten Geschoß vorbeitrieb. Er
hörte auch Christoph Warrens Antwort, und es war ihm klar, daß Christoph und seine Leute den
Transmitter wahrscheinlich eher erreichen würden als er mit seinen Begleitern. Er nahm das Risiko
auf sich, die Aufmerksamkeit der Blues ein weiteres Mal auf seine Gruppe zu lenken, und
informierte die Männer am Transmitter in einem kurzen Spruch über seine Lage.
»Wir befinden uns noch sieben Geschosse unter Ihnen und haben einen Gefangenen bei uns«,
schloß er. »Warten Sie so lange wie irgend möglich.«
Und dieselbe heisere Stimme, die er schon einmal gehört hatte, antwortete ihm: »Wird gemacht,
Doktor.«
Oben im dritten Geschoß hatte Warren seine Leute inzwischen in Marsch gesetzt. Drei
Schwerverwundete mußten getragen werden. Christoph Warren selbst führte den langsamen Zug mit
Dale Schenk und Duram Olsson zusammen an. Sie rechneten damit, auf Fremde zu stoßen, aber
merkwürdigerweise schienen die Gänge plötzlich wie leergefegt. Bis zum Schacht zwei brauchten sie
rund zwanzig Minuten. Der Transmitter stand in dem quadratischen Schachtvorraum, und die beiden
Männer daneben grüßten ehrfürchtig und mitleidig zugleich, als sie des Haufens Zerschlagener und
Verwundeter ansichtig wurden. Der Transmitter war betriebsbereit. Die Schwerverwundeten wurden
zuerst verfrachtet. Einer nach dem anderen verschwand in dem kleinen, kaum mannshohen Gatter und
trat die Reise durch das fünfdimensionale Kontinuum an. Schließlich war Christoph Warren der
einzige, der außer Kai Jennings und Fred Winsell noch übrigblieb.
»Sie machen sich besser auch auf den Weg, Sir«, riet Kai. »Ich höre, daß vier Leute noch
ausstehen. Wenn sie …«
Er wurde unterbrochen. John Pohl meldete sich zum zweitenmal. Aus dem Empfänger des Mikrokoms
klang seine Stimme verzerrt. »Wir sind im fünften Geschoß. Die Schachteingänge sind offen, und
wir können beobachten, daß der Gegner sich zurückzieht. Ich wiederhole: Warten Sie so lange auf
uns, wie Sie es irgend ermöglichen können, aber gehen Sie kein Risiko ein.«
Christoph schluckte trocken. Er sah auf die Uhr.
»Noch zwei Geschosse«, sagte er. »Sie kommen durch Schacht zwei. Ich glaube …«
Er nickte Kai Jennings entschlossen zu, öffnete den Verschlag des Transmitters und trat
hinein. Sekunden später war auch er verschwunden.
Sekunden verstrichen träge. Fred trat ungeduldig an den offenen Schacht heran und sah nach
unten. Er prallte erschrocken zurück. Dicht unter ihm bewegte sich eine schlaffe Gestalt und
pendelte unter dem Einfluß des künstlichen Schwerefelds träge hin und her. Weiter unten bewegten
sich andere Gestalten. Fred bückte sich und griff zu. Der Mann dicht vor ihm war klein, alt und
grauhaarig – obendrein bewußtlos. Fred betrachtete das zerfurchte Gesicht. Der Alte sah aus,
als hätte er zehn Tage lang ohne Schlaf und Nahrung auskommen müssen. Fred packte ihn unter den
Armen und zog ihn mit schleifenden Füßen auf den Transmitter zu. Kai Jennings erledigte den Rest
der Arbeit. Nach ein paar Sekunden befand Paddie Irish sich schon an Bord der ERIC MANOLI, obwohl
er noch nichts davon wußte.
Müde und zerschlagen kroch der Rest der Gruppe aus dem Schacht. Kai und Fred betrachteten
staunend den halbnackten Fremden mit dem Schüsselkopf und dem blauhaarigen Pelz. Er zögerte, als
Kai ihn vor den Transmitter zog. Fred gab ihm einen kräftigen Stoß, und er taumelte in den Käfig
hinein. Kai schloß die Tür, drückte eine Serie von Knöpfen, sah sich um und rief: »Fertig! Der
nächste!«
Der nächste war ein Mädchen. Fred sah sie sich aufmerksam an und fragte sich, wie sie auf den
Gedanken gekommen war, sich zu einem solchen Unternehmen zu melden.
Wenige Sekunden später gingen Gil und John durch den Transmitter. Danach verschwand Fred
Winsell. Als letzter trat Jennings in den Käfig, aktivierte die Selbstvernichtungsanlage und
verschwand Sekundenbruchteile später, um im selben Augenblick im Empfangsgerät der ERIC MANOLI zu
materialisieren.
Tage später.
Die Verwundeten waren im Bordhospital der ERIC MANOLI behandelt worden, unter ihnen auch John
Pohl und seine Begleiter aus den Tiefen des Plasmakessels. Die absorbierte Strahlungsdosis hatte
sich als unkritisch
Weitere Kostenlose Bücher