Silberband 022 - Schrecken der Hohlwelt
jetzt im
Südsüdwesten. Sobald sie die nordwestliche Kante der gigantischen Pyramide umrundet hatten,
befanden sie sich im Schatten. Die willkommene Kühle beflügelte ihre erschöpften Lebensgeister.
Mit neuem Mut drangen sie am Nordrand des riesigen Bauwerkes vor und fanden den Eingang
schließlich genau an der Stelle, an der Richard ihn zu finden erwartet hatte, nämlich in der
Mitte der Basis.
Es handelte sich um eine einen Zentimeter breite und vielleicht halb so tiefe Fuge, die
senkrecht zum Boden an der Wand der Pyramide in die Höhe stieg, nach zwei Metern einen
rechtwinkligen Knick beschrieb, nach weiteren zwei Metern abermals einen und danach wieder zum
Boden zurücklief. Earl und Doc waren zögernd stehengeblieben. Richard trat auf das von der Fuge
umschriebene Quadrat zu, und als er bis auf einen Meter herangekommen war, da trat das Quadrat
ins Innere der Pyramide zurück, wich zur Seite und gab einen geräumigen Eingang frei. Zur
gleichen Zeit leuchteten weit im Hintergrund Leuchtkörper auf. Richard sah einen sanft geneigten
Gang, der sich weiter, als er sehen konnte, in die Pyramide hinein erstreckte.
Er blieb unter der Öffnung stehen – bereit, jeden Augenblick zurückzuspringen, falls sich
der Eingang wieder schließen sollte.
»Ich möchte, daß ihr beide die Lage richtig versteht«, sagte er ernst. »Ich gebe keine Befehle
mehr. Wir handeln auf eigene Faust, und jeder hat genausoviel Recht wie der andere. Ich gehe
jetzt hier hinein, und wer mitkommen will, ist eingeladen. Wer nicht will, braucht sich nicht zu
genieren.«
»Ach, Quatsch«, brummte Earl und zwängte sich an Richard vorbei in den Gang hinein.
»Doc …?«
»Augenblick, da kommt einer!«
Richard war so überrascht, daß er unter der Öffnung hervorkam. Die Gleittür rührte sich nicht.
Der Eingang blieb offen. Drinnen untersuchte Earl Rifkin die spiegelglatten Wände.
Über den weißen Belag des Todeskreises kam Schneider mit unglaublicher Geschwindigkeit.
Richard war sicher, daß er, wenn er sich anstrengte, wenigstens achtzig Kilometer pro Stunde
laufen konnte. Er schien es ungeheuer eilig zu haben, aber als er schließlich bis auf Sprechweite
herankam, sagte er nichts weiter als:
»Das Tier ist in Sicherheit. Wir können weitergehen.«
Ohne weiteren Kommentar schritt er in den Pyramideneingang hinein. Drinnen sah ihn Earl
erstaunt an.
»Wo kommst du auf einmal her?«
Schneider erklärte die Lage. Er hatte dem Prypach den Schwanz abgeschnitten und das Tier am
Rand des Todeskreises wieder abgesetzt. Danach war er zurückgekehrt, um weiter bei den Terranern
zu bleiben.
Richard drängte zum Aufbruch. Doc und er setzten sich an die Spitze der kleinen Gruppe. Earl
und Schneider bildeten die Nachhut. Ohne Zögern drangen sie durch den geräumigen Gang vor, bis
sie den Anfang der Deckenlichterkette erreichten.
Richard prüfte die Lampen. Es handelte sich um Fluoreszenzleuchten, wie sie auch auf der Erde
verwendet wurden. Sie waren leuchtstark, und jede glänzte in einer anderen Farbe. Das Resultat
war ein Lichteffekt, der von Schritt zu Schritt wechselte, je nachdem, unter welcher Lampe man
gerade stand.
Fast unabsichtlich drehte Richard sich um und blickte durch den Gang zurück. Bis jetzt hatte
er den Lichtfunken sehen können, der durch den Eingang am Fuß der Pyramide hereinfiel. Jetzt war
er verschwunden. Die Tür hatte sich geschlossen. Richard fühlte sich auf einmal unbehaglich,
obwohl er damit gerechnet hatte. Er fühlte sich in einer Falle. Als er sich Earl und Doc wieder
zuwandte, gab er sich Mühe, von seinem Unbehagen nichts merken zu lassen.
Die bunten Lampen waren von nun an ihre ständigen Begleiter. Der Gang führte schnurgerade und
mit sanfter Neigung ins Innere der Pyramide hinein. Die Wände waren glatt und fugenlos, und
Richard machte sich zunächst keine Mühe, sie näher zu untersuchen.
Nach zehn Minuten allerdings begann er sich zu fragen, welchem Zweck der Gang diente. Wohin
führte er? Das Ziel schien in beachtlicher Entfernung zu liegen. Die Fremden, die diese Pyramiden
erbaut hatten, waren Meister einer unvergleichlichen Technik. Es war schwer zu verstehen, warum
sie einen solchen Gang gebaut haben sollten, durch den man zu Fuß gehen mußte, anstatt wenigstens
ein Transportband zu installieren oder sich überhaupt eine andere Möglichkeit der Beförderung
auszudenken.
Er besprach sich mit Earl. Earl hatte sich über diesen Punkt ebenfalls Gedanken
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