Silberband 025 - Brennpunkt Andro-Beta
fangen ließen. Der Wißbegierige hatte den letzten Tropfen
Bewußtsein aus ihnen herausgequetscht, bevor er sie seinem hungrigen Bruder überantwortete. Mit
der Zeit eignete er sich eine gewisse Überheblichkeit an und gab zu verstehen, daß seine beiden
Brüder ihm nicht eigentlich gleichberechtigt seien, sondern vielmehr unter seiner Leitung zu
stehen hätten. Dem Hungrigen war nichts gleichgültiger als das, aber der Außenposten erhob
heftigen Widerspruch. Glücklicherweise hatte der Wißbegierige keinerlei Mittel, seine Forderung
mit Gewalt durchzusetzen. Er beherrschte keinen einzigen Körpermechanismus, der dem Wohlergehen
aller drei Brüder diente und mit dessen Hilfe er sie hätte erpressen können.
Seit jener Zeit nahm der Außenposten an den Zusammenkünften in der Halle (Kim verstand, daß es
sich um den Raum handelte, in dem sie sich mit dem Wissensdurstigen unterhalten hatten) immer
seltener teil. Bei der Halle handelte es sich um einen von dem Wissensdurstigen entworfenen und
von dem Hungrigen geschaffenen Raum, in dem die Gedankenströme der drei Brüder miteinander
reagieren konnten. Ein Fluß von Gedankenimpulsen, von einem der Brüder in die Halle geleitet,
konnte von den beiden anderen verstanden werden. Dies erforderte eine gewisse Geometrie der
Hallenwände. Ohne Zweifel war es das Meisterwerk des Wißbegierigen, die Anordnungen und Formen
gefunden zu haben, die die beste Gedankenakustik ergaben.
Als ersten Schritt auf dem Weg zur völligen Selbständigkeit hatte der Außenposten mit den halb
verkümmerten telekinetischen Gaben, die er, ebenso wie der Wissensdurstige, entwickelt hatte, die
unbeachteten zehn Prozent der ursprünglichen Gehirnmasse, die zwischen den drei Bergen umherlag,
an sich gezogen. Dadurch wuchs sein geistiges Potential erheblich. Er war dem Intelligenten nun
ebenbürtig, jedoch hütete er sich, sein Geheimnis preiszugeben. Mit Hilfe einiger Tricks, die er
beherrschte, lockte er fremde Raumschiffe an, die in der Nähe vorbeiflogen, und lernte von ihren
Besatzungen. Nur wenn wirklich Not am Mann war, übergab er die Schiffe dem Hungrigen. Auf diese
Weise erweiterte er seinen Erfahrungsschatz. Im Verlauf von etwa dreihundert Jahren hatte er sein
eigenes kleines Verdauungssystem geschaffen, das ihn von der Funktion des Hungrigen unabhängig
machte. Er war damit sein eigener Herr und hätte sein Dasein ungetrübt genossen, wenn es ihm
gelungen wäre, ein wenig mehr Einfluß auf den Hungrigen auszuüben. Der Hungrige war nämlich Herr
über die rudimentären Antriebsorgane, die dem toten Moby-Körper eine gewisse Eigenbewegung
verliehen, und eigentlich hätte er diese Organe alleine nach den Anweisungen des Außenpostens
bedienen müssen, denn niemand wußte besser als er, in welcher Richtung am meisten Aussicht
bestand, Nahrung zu finden. Manchmal allerdings hatte er diese Autorität benutzt, um ein paar der
Raumschiffe anzulocken, mit deren Besatzungen er sich unterhielt, wobei er seine wahren Absichten
vor den drei Brüdern natürlich geheimhielt. Wenn auch der Intelligente niemals erfahren hatte,
worum es ging, so hatte er schließlich doch Verdacht geschöpft und sich zwischen den Hungrigen
und den Außenposten geschaltet. Der Außenposten gab seine Kursanweisungen jetzt an den
Intelligenten, und wenn es dem gefiel, reichte er sie an den Hungrigen weiter. Der Außenposten
hatte keine Möglichkeit, diesen Befehlsweg zu ändern, denn es war der Wißbegierige, der die Halle
konstruiert hatte und sie nach seinen Wünschen zu benutzen verstand.
So stand das Spiel im Augenblick. Die wichtigsten Körperfunktionen wurden beherrscht von dem
Hungrigen, der unter dem Einfluß des Intelligenten stand. Beide waren einwärts gerichtete Wesen.
Der Außenposten behauptete sogar, der Intelligente besitze nicht einmal die nötigen Organe, um
Dinge außerhalb des Moby-Körpers wahrzunehmen, von dem Hungrigen ganz zu schweigen.
In Wirklichkeit hatte der Außenposten den Intelligenten längst überrundet. Mit seinem größeren
Gehirnvolumen, seinen häufigen Kontakten und der Fähigkeit, die Welt ringsum zu sehen und aus ihr
zu lernen, vereinigte er weitaus mehr Wissen in seinem Bewußtsein als der Intelligente. Vor allem
aber war es eines, das ihn von seinen beiden Brüdern unterschied: er war kein Spezialist. Er
konnte Nahrung aufnehmen und denken.
Die beiden Terraner schwiegen lange.
»So sieht es aus«, nahm der Außenposten den Faden
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