Silberband 025 - Brennpunkt Andro-Beta
meine, was ich sage«, fuhr Kim ihn an.
»Weiter, was dann?«
»Dann wurde es plötzlich dunkel ringsum. Jemand wirbelte mich wie wild umeinander, dann fiel
ich ungefähr eine Minute lang, und plötzlich lag ich hier flach auf dem Kreuz.«
Es stellte sich heraus, daß Yotur eine ähnliche Erfahrung gemacht hatte. Nur war er wie Kim
zunächst bewußtlos geworden und nach dem Erwachen eine Zeitlang ziellos in der roten Dämmerung
umhergewandert. Dann hatte ihn plötzlich die unbekannte Kraft ein zweites Mal erfaßt, diesmal
allerdings mit weniger Nachdruck, und als er schließlich wieder geradeaus sehen konnte, sah er
Kim vor sich.
Kim blickte zuerst Yotur, dann Hess an.
»Ist das alles?« fragte er mit sonderbarer Betonung.
Hess schaute ihn verwundert an.
»Was willst du noch?« erkundigte er sich ärgerlich. »Mir langt's!«
»Yotur?«
Yoturs blasses Gesicht verzog sich wie unter heftigen Schmerzen.
»Nicht ganz«, bekannte er. »Mir war manchmal, als hörte ich …«
Er zögerte.
»Stimmen?« kam ihm Kim zu Hilfe.
»Ja. Stimmen. Irgendwo aus der Dämmerung.«
Hess fing an zu lachen.
»Ihr habt beide einen Vogel«, erklärte er mit Nachdruck.
Kim betrachtete ihn nachdenklich.
»Du wirst dich wundern«, sagte er. Dann fragte er Yotur: »Haben Sie irgend etwas verstehen
können?«
Yotur war seiner Sache nicht sicher.
»Es war mir, Sir, als hörte ich etwas von Proviant und Information.«
Kim nickte. Er glaubte, jetzt zu wissen, worum es in der Unterhaltung der beiden Fremden
ging.
»Irgendwo in der Nähe«, faßte er seine Ansicht zusammen, »gibt es zwei fremde Wesen, die uns
beobachten. Sie sind es, die uns hierhergebracht haben. Es sieht so aus, als hätten sie uns
gekidnappt, um uns besser beobachten zu können. Zwischen den beiden gibt es eine
Meinungsverschiedenheit. Soweit ich die Sache verstehe, ist einer von ihnen der Ansicht, er
könnte von uns wichtige Informationen erhalten. Der andere dagegen betrachtet uns offenbar als
willkommene Bereicherung seines Speisezettels. Es scheint ganz allein auf uns anzukommen, zu
wessen Gunsten die Diskussion entschieden wird. Wir müssen den Eindruck erwecken, eine
vorzügliche Informationsquelle zu sein. Mit anderen Worten: Wir müssen uns so anstellen, wie man
es von intelligenten, scharf denkenden Wesen erwartet. Ist das klar?«
»Jawohl, Sir«, versicherte Yotur.
Hess sah mit verstörtem Gesicht zuerst den einen, dann den anderen an. Schließlich brachte er
mit krächzender Stimme hervor:
»Du meinst, er … er will uns …«
»Auffressen«, kam Kim ihm zu Hilfe. »Genau das. Und wir sehen am besten zu, daß er nicht zum
Zuge kommt.«
Yoturs Bericht gab ihm zu denken. Yotur hatte die Unterhaltung zwischen den beiden Fremden
offenbar längst nicht so deutlich gehört wie er selbst. Offenbar bedurfte es einer gewissen
Veranlagung, um die Gedankenimpulse einwandfrei zu empfangen. Es war durchaus möglich, daß Hess
Palter den Meinungsaustausch der Unsichtbaren überhaupt nicht wahrnehmen konnte.
Noch etwas anderes wurde Kim klar. Er hatte, als er aus der Bewußtlosigkeit erwachte, mit
höchster Sendeleistung nach Yotur und Hess gerufen. Daß Hess ihn nicht gehört hatte, ließ sich
wahrscheinlich auf natürlichem Weg erklären. Aber Yotur hatte sich zu jener Zeit ebenso wie er in
diesem Raum aufgehalten. Es mußte also etwas geben, was die elektromagnetische Strahlung des
Helmsenders absorbierte. Vermutlich war es derselbe Effekt, der die Sichtweite auf vier Meter
begrenzte. Wenn sie einander nicht verlieren wollten, mußten sie also zusammenbleiben. Kim hatte
ursprünglich daran gedacht, daß sie sich trennen und verschiedene Abschnitte ihres Gefängnisses
gleichzeitig untersuchen könnten. Diesen Plan mußte er fallenlassen.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als so lange geradeaus zu gehen, bis sie die Grenze der
roten Dämmerung erreichten. Kim war nicht sicher, ob es überhaupt eine Grenze gab, aber intuitiv
spürte er, daß irgendwo eine Wand existieren müsse, und vielleicht ließ sich in dieser Wand eine
Öffnung finden, durch die sie entkommen konnten.
Selbst das Geradeausgehen erwies sich als keineswegs einfach. Es gab keinen Anhaltspunkt, der
die Richtung bestimmte. Sie mußten sich auf das Gefühl verlassen, und das Gefühl, davon war Kim
fest überzeugt, trog. Nichts hinderte sie daran, in dem Glauben geradeaus zu gehen, fortwährend
in großen Kreisen umherzuirren. Erdgeborene Menschen
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