Silberband 026 - Kontrollstation Modul
Woran hätte
ich mich auch orientieren sollen! Es gab weder Kalender noch Uhren hier. Und selbst, wenn ich die
Oberfläche Moduls betreten dürfte, was sollte mir das nützen? Die astronomischen Bezugspunkte für
eine Zeitmessung fehlten. Modul hing tief im Leerraum. Nur einen Zwergnebel und die
Andromeda-Galaxis konnte man mit bloßem Auge erkennen. Ich mußte schon sehr alt sein. Dennoch
ließen weder meine physischen noch meine psychischen Energien nach. Vielleicht hing das mit der
Fähigkeit zusammen, die ich Energie-Transformation nannte.
Mit meinen Geisteskräften war ich in der Lage, Energie in Materie umzuwandeln.
Anfänglich geschah das mehr instinktmäßig als bewußt. Wahrscheinlich waren die Umweltbedingungen
meiner Vorfahren daran schuld. Vielleicht hatten sie nur überleben können, wenn sie tödliche
Energie umwandelten, vielleicht aber brauchten sie die erzeugte Materie auch zum Leben. Ich wußte
es nicht. Ich ahnte nur, daß meine Fähigkeit, auch bewußt und gezielt diesen Vorgang zu steuern,
selbst beim Volk der Moduls eine Ausnahme gewesen sein muß. Andernfalls hätten die Meister der
Insel nicht nur mich für ihre verbrecherischen Zwecke mißbraucht.
Eigentlich mußte die zurückbeorderte Sphäre in jedem Augenblick eintreffen. Ich
hatte nicht den Fehler begangen, den rätselhaften Vorfall auf sich beruhen zu lassen oder gar zu
verheimlichen. Mir war klar, daß in der Zwerggalaxis Fremde eingedrungen waren, die mit den
Sphären vernichtet werden sollten. Zwar waren die Fremden mir schon allein dadurch sympathisch,
daß die Meister sie als Gegner ansahen. Aber ich hatte zu oft erfahren, wie schnell meine
Unterdrücker mit ihren Feinden fertig wurden, als daß ich die Existenz meines Volkes für eine
unsichere Chance riskiert hätte. Ich konnte den Fremden nicht helfen. Im Gegenteil: Ich mußte
alles tun, um ihre Vernichtung zu beschleunigen. Alles andere wäre nicht nur sinnlos und
gefährlich, sondern auch unnötig grausam gewesen.
Wieder einmal ertönte das Signal, das mich zur Berichterstattung rief. Mir war
es unverständlich, warum die Meister der Insel wegen eines so geringfügigen Zwischenfalls so
aufgeregt waren. Gewiß, ich selbst war von Natur aus überaus leicht erregbar. Doch das traf auf
meine Unterdrücker gewiß nicht zu. Bisher hatten sie bei allen Aktionen immer größte
Kaltblütigkeit bewiesen.
Mein Weg führte quer durch die Landehalle, eine kreisrunde Fläche unterhalb des
langen Landeschachtes. Die wartenden Roboter beachteten mich nicht. Sie interessierten sich nur
für die zurückkehrende Sphäre. Im Vorbeigehen versuchte ich wieder einmal, einen dieser Kolosse
herauszufordern. Der Robot ähnelte entfernt einem Modul. Aber er war doppelt so groß und besaß
vier Arme statt zwei. Vier Augenzellen verliehen ihm eine ideale Rundsicht.
Mich beachtete er trotzdem nicht. Er wich nicht einmal aus, als ich ihn
anrempelte. Nur seine Augenzellen begannen ein wenig heller zu glühen. Anscheinend sah er mich
nicht als Gefahr an.
Von einem Augenblick zum anderen verlor ich die Kontrolle über mich. Ich sprang
den Koloß an und hämmerte mit beiden Fäusten gegen seinen stählernen Leib. Dabei schrie ich wie
besessen.
Mit leisem Schnurren bewegte sich plötzlich einer der Greifarme auf mich zu. Ich
wurde ergriffen, einige Schritte weit davongetragen und stehengelassen.
Die Ernüchterung kam sofort. Leute wie ich waren sehr sensibel; aber sie wußten
das auch. Dementsprechend hätte ich mich verhalten müssen. Beschämt erkannte ich, daß der Roboter
um meine Schwäche wußte. Nur so war seine sanfte, geradezu nachsichtige Reaktion zu erklären.
Nur mit Mühe unterdrückte ich einen neuen Zornesausbruch. Ich eilte in den
Kommunikationsraum. Von den Wänden blinkten mich tote Bildschirme an. Die Meister der Insel
hatten sich noch niemals gezeigt. Ich wußte nicht, welche Gestalt sie hatten – und ob sie
überhaupt eine Gestalt besaßen. Nur dann, wenn ich mit Angehörigen eines Hilfsvolkes zu sprechen
hatte, waren die Bildschirme in Betrieb.
»Berichte, Baar Lun!« hallte es aus den Lautsprechern.
Ich lauschte dem Klang nach. Doch er war so unmoduliert wie immer gewesen. Es
war nichts Lebendiges in dieser Sprache. Wahrscheinlich ließen die Meister einen Roboter
sprechen. Wie diese indirekte Kommunikation erfolgte, war durchaus vorstellbar. Sie funktionierte
wahrscheinlich nach dem Prinzip des Simultan-Translators. Rätselhaft und
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