Silberband 026 - Kontrollstation Modul
Gedächtnisses‹. Vor dem
Eingangsportal verhielt Finch den Schritt. Niemand außer den Häuptern des regierenden Lun-Klans
durfte den Tempel des Gedächtnisses betreten. Er barg, wie man sich zuflüsterte, ein Geheimnis,
das dem, der es erfuhr, den Irrsinn bringen konnte.
Soor drehte sich um, als Finchs Schritte verstummten.
»Folge mir«, sagte er ernst, »und sieh dich nicht um. Dann wird dir nichts geschehen.«
Eyseman zögerte noch immer. Zaudernd glitt sein Blick zurück zur gläsernen Stadt – und
wurde starr. Die Stadt war nicht mehr. Es gab nur noch Dunkelheit – und den Tempel des
Gedächtnisses.
Rasch wandte Finch Eyseman sich um und lief hinter Soor her, hin zu dem einzigen Ort, den das
Furchtbare noch nicht verschlungen hatte.
Er blickte zu Boden, während er dem Klanführer folgte. Am Widerhall der Schritte erkannte er,
daß sie abwechselnd durch enge Korridore und durch weite Hallen gingen.
Licht wechselnder Farbe fiel auf den Boden, und von irgendwoher kam eine klagende Melodie.
»So, wir sind da«, sagte Soor nach einer Zeit, die Finch wie eine der langen Nächte vorkam.
»Sieh auf, Bruder!«
Eyseman hob den Kopf.
Soor stand am Rande eines gelblichen Lichtkreises, der über dem Mosaik des düsteren Raumes zu
schweben schien. Innerhalb des Lichtkreises war es heller. Doch das weiße Licht versperrte den
Blick auf den Mosaikboden. Es wirkte fremd – und kalt.
Soor wies in den Lichtkreis.
»Tritt hinein, Bruder!«
»Und du …?« fragte Finch zaghaft.
Soor vom Klan der Luns schüttelte den Kopf.
»Ich muß hierbleiben und warten.« Er lächelte rätselhaft. »Wie solltest du mich sonst einst
finden, Finch Eyseman …!«
Wie betäubt schritt Finch auf den schimmernden Ring zu und trat hinein.
Im selben Augenblick verschwand der Mosaikraum, versanken die Düsternis und der
Klanführer …
Finch Eyseman hatte das Gefühl des Fallens. Doch bevor er den Antigravprojektor
einschalten konnte, schlug er auch schon auf. Er fühlte etwas unter seiner Stiefelsohle
zersplittern und blickte sich mit weitaufgerissenen Augen um.
»Tölpel!« schrillte ihm Guckys Stimme aus dem Helmempfänger entgegen. »Meine schöne
Positionslampe!«
Immer noch völlig verwirrt, trat Finch beiseite und betrachtete sich das, worauf er gelandet
war. Es war Guckys Schwanzfutteral, und die Scherben der roten Glimmlampe lagen verstreut im
Eis.
Eyseman schluckte. »Ich bitte um Entschuldigung!«
»Schon gut!« Gucky winkte gönnerhaft ab. »Ein Glück nur, daß das Futteral unter Druck steht.
Du hast ziemlich lange geträumt, wie?«
Erst jetzt sah Finch seine Umgebung bewußt. Er stand in einer grottenähnlichen Eishöhle, die
vom Schein einer abmontierten Helmlampe schwach erleuchtet wurde. Neben dem Mausbiber lagen
Proviantsäcke und Energiegewehre. Dahinter bewegten sich schemenhafte Gestalten.
Unwillkürlich griff Eyseman zur Waffe.
»Nicht schießen, bitte!« bat die vertraute ironische Stimme Bron Tudds. »Es wäre schade um
meinen Kautabak.«
Gucky kicherte.
»Schöne Überraschung, was? Na, wenn wir etwas mehr Zeit haben, können wir uns unsere Träume
erzählen. Oder hast du etwa auch von hausgroßen Tabakknollen geträumt wie Bron?«
Leutnant Eyseman schüttelte den Kopf.
Aus dem Hintergrund kam die hünenhafte Gestalt Hendersons auf ihn zu.
»Freut mich, Sie heil vorzufinden, Eyseman.« Er schüttelte Finchs Hand. »Gucky hat mir schon
berichtet, welcher verrückte Einfall Sie beide von Greenish-7 zurückholte.«
Er lachte, aber es klang nicht echt. »Wir waren auch dort. Müssen an einer anderen Stelle
herausgekommen sein. Auch uns haben die Illu-Kristalle gerettet – aber wir haben uns nicht
freiwillig in ihren Bann begeben. Es war furchtbar!« Er schüttelte sich.
Eyseman lächelte.
»Die Traumebene entspricht immer den verborgenen Wünschen des Unterbewußtseins …«
»Ja, ich weiß. Gucky sagte es. Er hat übrigens von …«
»Still!« piepste der Mausbiber dazwischen. »Wäre ich nicht so benommen gewesen, hätte ich
überhaupt nichts verraten. Jetzt bewahren Sie es wenigstens als Geheimnis, Captain.«
Henderson zuckte die Schultern und wechselte das Thema.
»Gucky hat mir versprochen, einen brauchbaren Plan auszuarbeiten.«
»Ich habe ihn schon«, sagte Gucky. »Ich muß mir nur noch überlegen, wie ich ihn geistig
tieferstehenden Wesen verständlich machen kann.«
Finch Eyseman lachte. Er fühlte sich plötzlich geborgen und in Sicherheit.
Weitere Kostenlose Bücher