Silberband 028 - Lemuria
»wenn Sie mir nicht sofort die
Wahrheit sagen!«
Der ›Eisberg‹ musterte ihn kühl von oben bis unten. Danach schwieg er. Alle weiteren Versuche
des Lemurers, noch etwas aus ihm herauszuholen, prallten an seiner unerschütterlichen Ruhe ab.
Oberst John C. Shelton benahm sich nicht etwa deshalb so überlegen, weil er wußte, daß Log sie
jederzeit befreien konnte; er hätte auch in aussichtsloser Lage so gehandelt. Und gerade diese
innere Sicherheit war es, die den Gegner machtlos machte.
Der Verhöroffizier rief nach der Wache und ließ Shelton abführen.
Man sperrte ihn in einen rechteckigen Raum von etwa zwei mal einen Meter Größe. An der Decke
brannte eine winzige Lampe, und die einzige Sichtverbindung zur Außenwelt bestand in einem
handtellergroßen, vergitterten Loch in der Tür.
Der Flottenoffizier stellte fest, daß die Wandpritsche abgeschlossen war. Sicherlich würde sie
nur abends herausgeklappt werden. Er resignierte und streckte sich einfach lang auf dem Fußboden
aus. Was er brauchte, war eine Ruhepause, um seine Kräfte zu erhalten. Er sah nicht ein, daß er
die kurze Zeit seiner Gefangenschaft nicht dafür verwenden sollte. Eine halbe Minute später
schlief er fest und traumlos.
Da man ihm auch die Uhr abgenommen hatte, wußte er nicht, wie lange er geschlafen hatte, als
die Tür aufgeschlossen wurde. Der Wachtposten machte ein verblüfftes Gesicht, als sich der
Gefangene mit herzhaftem Gähnen erhob.
»Was soll die Störung?« fragte Shelton. »Will dieser junge Laffe mir schon wieder meine
kostbare Zeit stehlen?«
Der Lemurer grinste. Er antwortete nicht, sondern bedeutete dem Gefangenen durch Handzeichen,
daß er vor ihm herzugehen habe. Die schußbereite Schockwaffe unterstrich diese Gesten. Wieder
einmal stellte Shelton fest, daß ihm ein Ausbruchsversuch nicht gelungen wäre.
Es ging zu dem gleichen Raum, in dem das erste Verhör stattgefunden hatte. Der junge Offizier
war allerdings verschwunden. Dafür saßen vier ältere Männer mit bunten Umhängen hinter der
Rundung des Tisches.
Tamräte! durchzuckte es Shelton.
»Nun, habe ich etwa zuviel versprochen?« sagte eine dünne Stimme.
Der ›Eisberg‹ wandte den Kopf und sah Log. Der Roboter stand links neben den Tamräten
Lemurs.
»Machen wir der Sache ein Ende!« befahl der Flottenoffizier hart. Er hatte sich entsonnen, daß
sich Log unter seinen Befehl gestellt hatte – und wahrscheinlich wartete er mit rein
intellektueller Ironie nur darauf, nun auch eine Anweisung zu bekommen.
Einer der Tamräte fuhr auf.
»Was …?«
Im nächsten Augenblick lächelte er zuvorkommend.
»Sie möchten ein kleines Spielchen treiben, Oberst Shelton. Ausgezeichnet! Selbstverständlich
helfen wir Ihnen dabei. Alles, was unser ist, gehört Ihnen.« Die übrigen Tamräte nickten
bestätigend.
»Wir brauchen vor allem Ihre Bekleidung, Ihre Pässe – und Ihr Wissen!« sagte der
Oberst.
»Und unser Funkgerät«, fügte Pierre Messier hinzu, der neben einem entwaffneten Posten den
Raum betrat.
Der ältere der Tamräte erteilte die entsprechenden Befehle, während die Kleidung ausgetauscht
wurde.
Als das Funkgerät kam, sendete Shelton einen gerafften Funkspruch zur CREST III. Die Antwort
hätte mindestens ein kurzer Pieps sein müssen.
Doch selbst der blieb aus.
Log verschwand für den Zeitraum von etwa zwei Sekunden. Dann materialisierte er wieder im
Verhörzimmer und sagte:
»Die CREST ist verschwunden!«
Wieder einmal zerriß der unerklärbare ›Vorhang‹, der den Normalraum vom
Zwischenraum trennte. Das Flaggschiff der Solaren Flotte wurde nach dem Zusammenbruch des
Kalupschen Hüllfeldes ins vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum zurückgeschleudert.
Es war der sechste Orientierungsaustritt. Fünfmal zuvor hatte das Ultraschlachtschiff den
Wechsel von Normalraum zu Zwischenraum und umgekehrt vollzogen.
Die riesige Kommandozentrale wurde scheinbar zu einem Tollhaus. Aus unzähligen Lautsprechern
hallten Anweisungen und Daten. Einige Dutzend Offiziere versuchten, den allgemeinen Lärm zu
übertönen und den betreffenden Gesprächspartner am Gegengerät mit Informationen, Befehlen und
Ratschlägen zu versorgen.
Der Kartentisch wirkte wie ein unerschütterlicher Fels in der Brandung menschlicher
Geschäftigkeit.
Perry Rhodan, Atlan, Tolot, Marshall, Gucky und Kasom überprüften die eingehenden wichtigsten
Meßdaten. Sie alle hatten nicht unmittelbar mit den Manövern des Flaggschiffes zu tun.
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