Silberband 030 - Bezwinger der Zeit
Willy«, sagte Aboyer.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Willy überzeugt. »Solange ich neben ihr saß, habe ich sie
sorgfältig untersucht, ohne etwas zu finden.«
»Untersucht?« staunte Aboyer. »Wie haben Sie das fertiggebracht?«
Willy verfärbte sich vor Stolz.
»Ich habe sie abgetastet«, berichtete er. »Sie hat es nicht bemerkt, so sanft ging ich dabei
vor.«
Aboyer konnte das Quallenwesen nur anstarren. In einer düsteren Vision sah er die Schlagzeilen
eines Boulevardblattes vor seinen geistigen Augen: Sternenfürstin flirtet mit Monstrum an der
Bar des Bennerton-Hotels.
Und darunter würde ein großes Bild abgedruckt sein, dachte Aboyer. Ein Bild, auf dem deutlich
zu sehen war, wie Matten-Willy die Fürstin vom Lay-Star-System mit mindestens zwölf Tentakeln
umschlungen hielt.
Als Atlan die Nachricht erhielt, daß Sintra Rontoff vom Mond eingetroffen war und
darauf wartete, bei ihm vorgelassen zu werden, hatte er bereits alles in den Akten über diese
Frau nachgelesen, was er wissen wollte. Ihr Mädchenname war Mahute. Sie hatte lange Zeit mit
ihrem Vater zusammengelebt und für die Whistler-Company gearbeitet, bevor sie sich
entschlossen hatte, ihre ungewöhnlichen Kenntnisse als Mathelogikerin im Rechenzentrum auf Luna
einzusetzen. Dort war sie inzwischen zur Sektionschefin avanciert und hatte einen der
bedeutendsten Kybernetiker geheiratet, der auf Luna lebte.
Vor ihrer Hochzeit mit Darb Rontoff und ihrem Arbeitsplatzwechsel war Sintra längere Zeit mit
einem Mann befreundet gewesen, der auch dem Arkoniden kein Unbekannter mehr war: Emilio Alberto
Aboyer.
Atlan ahnte gewisse Zusammenhänge, aber bevor er irgend etwas unternahm, wollte er abwarten,
bis er die Mathelogikerin gesprochen hatte. Perry Rhodan hatte darauf bestanden, bei Atlans
Gespräch mit der Sektionschefin zugegen zu sein, doch der Arkonide war entschlossen, sein
Versprechen, das er Sintra gegeben hatte, auf jeden Fall einzuhalten. Außerdem bezweifelte er,
daß die junge Frau in Gegenwart eines Dritten alles sagen würde, was sie wußte. Der Einsatz eines
Telepathen erschien Atlan unnötig. Nach Möglichkeit ließ er persönliche Freiheit und Intimsphäre
eines Menschen unangetastet, auch wenn ihm die Terraner oft das Gegenteil nachsagten.
Atlan hielt sich in einem der unzähligen, modern eingerichteten Büroräume des Hauptquartiers
der Solaren Abwehr auf. Mercant hatte ihm dieses Zimmer zur Verfügung gestellt und ihm
zugesichert, daß ihn niemand stören würde. Von hier aus würde der Arkonide auch die
Sicherheitsmaßnahmen während der Konferenz leiten.
Atlan blickte auf die Uhr. Der zweite April war seit drei Stunden angebrochen. Der Arkonide
konnte auf seine Nachtruhe verzichten, als Aktivatorträger blieb er vor Müdigkeit und Erschöpfung
länger als Normalsterbliche verschont. Daran, daß Sintra Rontoff mitten in der Nacht zu ihm kam,
erkannte er, daß sie von der Dringlichkeit ihrer Probleme überzeugt war.
Der Türsummer ertönte, und die Stimme irgendeines Beamten meldete Atlan, daß die
Sektionschefin darauf wartete, eingelassen zu werden. Atlan ertappte sich dabei, wie er über
seine weißblonden Haare strich. Er lächelte. Trotz seiner vielen Lebensjahre besaß er noch die
kleinen Schwächen eines Mannes.
Die Mathelogikerin war nicht im mindesten verlegen, als sie das Zimmer betrat, in dem sie vom
Lordadmiral der USO erwartet wurde. Ihre einfache Kleidung betonte eher ihre natürliche
Schönheit, als sie zu verbergen.
Atlan erhob sich und begrüßte die Sektionschefin. Er bot ihr einen Sessel an und wartete, bis
sie Platz genommen hatte. Sie sah sich im Zimmer um. Offenbar wollte sie sich vergewissern, daß
außer Atlan niemand anwesend war.
»Es gibt weder geheime Kameras noch versteckte Abhöranlagen«, sagte Atlan mit spöttischem
Unterton. »Alles, was Sie mir sagen, kann nur von mir gehört werden.«
Sie dachte einen Augenblick nach, dann schien sie sich zu entschließen, den Worten des
Lordadmirals Glauben zu schenken.
»Halten Sie mich nicht für albern«, sagte sie. »Diese Geheimnistuerei hat nichts mit mir zu
tun. Ich möchte nur einen alten Freund vor Schwierigkeiten bewahren.«
»Ich glaube, Mister Aboyer würde Ihre Freundlichkeit zu schätzen wissen, wenn er davon
erführe«, sagte Atlan.
Sie errötete, zeigte aber mit keinem Wort, daß sie über sein Wissen erstaunt war.
»Es geht also um die Fragmentwaffe der MdI«, sagte Atlan. »Was wissen Sie
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