Silberband 030 - Bezwinger der Zeit
noch ein paar Stunden Zeit zu gewinnen. In diesen Stunden mußte er irgend etwas finden, das
er Mercant als Beweis für das Vorhandensein einer dritten Waffe vorlegen konnte. Andernfalls
würde man ihn hart bestrafen.
Aboyer bezweifelte, daß Matten-Willy die Konsequenzen ihres Tuns begriff.
Willy hüllte Riera abermals ein. Diesmal gelang es ihm auf Anhieb, da der Kolonist sich nicht
wehren konnte. In weniger als zwei Minuten war Riera unter einer Plasmaschicht verschwunden.
»Und jetzt hinauf mit ihm«, befahl Aboyer. »Beeilen Sie sich. Bis Sie zurückkommen, habe ich
das Zimmer gründlich untersucht.«
Willy verschwand mit seiner Last. Aboyer ahnte, daß er mit seinem hilfsbereiten Verbündeten
noch mehr Ärger bekommen würde. Doch jetzt war es zu spät, sich von Matten-Willy zu trennen.
Immerhin gab sich das Wesen von der Hundertsonnenwelt alle Mühe, seinen terranischen Freund zu
unterstützen.
Aboyer riß die Tür des Wandschranks auf und durchwühlte die Kleidung Rieras. Sorgfältig
tastete er alle Stücke ab, die als Versteck eines Waffenteils dienen konnten. Aber weder in den
Kleidern noch in Rieras Gepäck fand er irgend etwas, das ihm einen Hinweis geben konnte.
Unschlüssig packte er die Kleider wieder zurück. Sollte er die Suche aufgeben? Schließlich konnte
er nicht erwarten, daß er bereits im ersten Zimmer, das er durchsuchte, etwas fand.
Als er die Schranktür abschloß, kam Willy wieder ins Zimmer. Mit einem Blick sah Aboyer, daß
er Riera noch immer bei sich hatte.
»Was ist los?« erkundigte er sich wütend. »Sie sollten ihn zum Gleiter bringen.«
Willy lehnte sich schutzsuchend gegen die Türfüllung. »Das ging nicht«, erklärte er. »Auf dem
Dach ist eine Hochzeitsgesellschaft gelandet. Es werden gerade Aufnahmen vom Brautpaar gemacht.
Als Hintergrund hat man Ihren Gleiter gewählt, Al.«
Aboyer runzelte die Stirn. Er konnte sich vorstellen, was geschehen wäre, wenn Willy an den
Hochzeitsgästen vorbei- und auf den Gleiter zugeschwankt wäre.
»Ich habe nichts gefunden«, informierte er das Plasmawesen. »Zumindest Riera scheint keine
Waffenteile bei sich zu haben.«
»Dann können wir den armen Kerl ja freilassen«, meinte Willy vergnügt und ließ Rieras Kopf
zwischen zwei Hautfalten hervorrutschen.
»Vorläufig kann er in diesem Zimmer bleiben«, entschied Aboyer. »Ich hoffe, daß er noch
mindestens eine Stunde bewußtlos bleibt. Inzwischen können wir uns woanders umsehen.«
Willy ließ den Kolonisten behutsam auf den Boden gleiten und nahm wieder seine Kugelgestalt
an. In dieser Form ähnelte er einer überdimensionalen Qualle von zwei Metern Höhe. Aboyer warf
ihm einen schiefen Blick zu. Er wünschte, Willy hätte sich etwas zusammensinken lassen.
»Gehen wir in der bewährten Weise vor?« erkundigte sich Willy begierig.
»Bewährt nennen Sie das?« seufzte Aboyer auf. »Was haben wir denn bisher erreicht? Ich mußte
einen Administrator bewußtlos schlagen, damit wir weitersuchen können.«
Willy tätschelte seinen schwammigen Körper mit einigen Tentakeln.
»Trotzdem sind wir ein feines Gespann«, meinte er wohlgefällig. Aboyer konnte ein Stöhnen
nicht unterdrücken. Das Quallenwesen war tatsächlich sehr naiv. Trotz seines kolossalen Körpers
war es unglaublich ängstlich. Außerdem schien es nicht in der Lage zu sein, logisch denken zu
können.
Der Agent zog den Notizzettel aus der Hosentasche und warf einen kurzen Blick darauf.
»Zimmer sechs«, sagte er zu Willy. »Ebenfalls in dieser Etage. Versuchen wir unser Glück noch
einmal.«
Willy plusterte sich auf, so daß er kaum durch den Eingang paßte. So glitt er hinaus. Aboyer
warf einen Blick auf den bewußtlosen Riera. Er zog einen Schreibstift aus der Tasche und schrieb
auf die Rückseite des Notizzettels:
Geben Sie uns einen Tag Vorsprung, bevor Sie etwas unternehmen!
Er heftete das Papier an Rieras Jacke. Wenn er den Kolonisten richtig einschätzte, würde Riera
persönliche Nachforschungen anstellen, bevor er Meldung machte. Natürlich konnte das auch eine
Fehlspekulation sein. Dann waren die Stunden gezählt, die Aboyer und das Quallenwesen noch in
Freiheit verbringen konnten.
Inzwischen hatte Willy Zimmer sechs erreicht. Er fuhr ein Stielauge aus und versuchte, durch
einen schmalen Schlitz zu spähen, den er unter der Tür entdeckte. Als er damit kein Glück hatte,
machte er ein Pseudoglied so dünn, daß er es mühelos durch den Schlitz schieben konnte. Dann
Weitere Kostenlose Bücher