Silberband 034 - Die Kristallagenten
er, daß er hungrig war. Seltsam, daß der menschliche Körper auch in solchen Augenblicken
sein Recht verlangte.
Die Sekunden, während denen Wish ›Big Mountain‹ Haagard wie gelähmt am Boden lag,
schienen Stunden zu dauern. Allmählich nahm die Überlegung in seinem Gehirn Gestalt an, daß er
während seines Sturzes den Schalter des Deflektorschirms berührt hatte und gut sichtbar gelandet
war. Er zögerte, das Gerät wieder einzuschalten, weil ein verkehrter Griff an die Schaltungen des
breiten Gürtels sein Ende bedeuten konnte.
Die Generäle beobachteten ihn. Sie würden sofort zu schießen beginnen, wenn er eine falsche
Bewegung machte. Sein Individualschutzschirm würde dem konzentrierten Feuer aus fünf Waffen nicht
widerstehen.
Nun hast du deinen Zwischenfall, dachte er voller Selbstironie. Allerdings war alles ganz
anders gekommen, als er geglaubt hatte. Er war förmlich überrumpelt worden. Die
anderen …
Die anderen!
Haagard blickte nach oben.
Er konnte einen Teil des Ganges sehen, aus dem Hohle und er die Verkleidung herausgerissen
hatten. Nichts deutete darauf hin, daß sich dort noch jemand aufhielt. Haagard wußte jedoch, daß
Lloyd und Olney den Sturz nicht mitgemacht hatten. Was mit Hohle geschehen war, wußte der
Sergeant dagegen nicht.
Lloyd! dachte er dringend. Ich bin hier unten zwischen den Maschinen. Fünf Generäle
haben mich eingekreist.
Einen Augenblick wurde Lloyd am Rand des Ganges sichtbar, und er winkte Haagard zu. Er hatte
seinen Deflektor ausgeschaltet, damit der Sergeant ihn sehen konnte.
Haagard atmete auf. Lloyd und Olney waren noch dort oben. Die Generäle wußten nichts von der
Anwesenheit der beiden Männer.
Aber wo war der Major?
Haagard ließ seine Blicke vorsichtig über die Umgebung gleiten. Er kam jedoch nicht dazu, sich
alles genau anzusehen, denn der General, der unmittelbar vor ihm stand, machte eine
unmißverständliche Bewegung mit der Waffe. Haagard wurde zum Aufstehen aufgefordert.
»Ich bin unmittelbar über Ihnen, Wish«, sagte in diesem Augenblick Hohles leise Stimme in
Haagards Helmempfänger. »Tun Sie alles, was die Burschen von Ihnen verlangen. Wir warten auf eine
günstige Gelegenheit, um Sie herauszuholen.«
Haagard verzog das Gesicht. Würde es noch eine günstigere Gelegenheit geben als in diesem
Augenblick?
Er konnte es nicht riskieren, dem Major zu antworten, denn die Generäle würden sofort Verdacht
schöpfen. Die leise Stimme Hohles hatten sie nicht hören können.
Big Mountain erhob sich zögernd. Bei seinem Sturz hatte er sich offenbar eine Prellung
zugezogen. Sein Rücken tat ihm weh.
»Man wird Sie wahrscheinlich entwaffnen«, sagte Hohle. »Sie dürfen sich auf keinen Fall zur
Wehr setzen.«
Warum nicht? wollte Haagard wütend fragen, aber er preßte die Lippen zusammen. Der Major traf
die Entscheidungen.
»Hier spricht Lloyd«, meldete sich der Mutant. Er sprach noch leiser als Hohle. Haagard mußte
sich anstrengen, um ihn zu verstehen. Dafür war das, was Lloyd ihm mitteilte, um so
erregender.
»Wir müssen vorsichtig sein«, flüsterte der Telepath. »Die auf Modula II befindlichen Generäle
sind gefährlicher als jene, die ich an Bord des achten Birnenschiffes kennengelernt habe. Sie
besitzen wesentlich wirkungsvollere, tödliche Waffen. Außerdem kann ich ihre Gedanken hier
deutlicher wahrnehmen als damals auf dem Birnenschiff. Ich weiß nun, daß die Glasbehälter auf den
Schultern der Generäle künstlich eingepflanzte Zeitaugen sind, die sie von den Perlians erhalten
haben. Das macht sie gefährlich. Wir dürfen die Generäle nicht unterschätzen. Im Gegensatz zu
jenen, die sich an Bord der Birnenschiffe befinden und unter dem hypnosuggestiven Zwang der
Kristalle ihre Fähigkeiten nicht voll entwickeln können, wissen die hier befindlichen Wesen ihren
Vorteil, den sie durch die Zeitaugen besitzen, auch anzuwenden.«
Haagard runzelte ungläubig die Stirn.
Sind Sie sicher? dachte er.
»Hören Sie zu!« antwortete Lloyd verärgert. »Die Kerle, die Sie überwältigt haben, können eine
Zehntelsekunde in die Zukunft sehen. Das erscheint wenig, aber bei einem Kampf kann diese Zeit
entscheiden.«
Was soll ich tun? fragte Haagard, in dem Verzweiflung aufzusteigen begann.
»Abwarten!« sagte Lloyd.
Wish Haagard wurde abgelenkt, als zwei Generäle von hinten an ihn herantraten und seinen
Waffengürtel abschnallten. Damit verlor er gleichzeitig sein Deflektorgerät und den
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