Silberband 045 - Menschheit am Abgrund
»Kommt herein, Jungs!«
Sechs kräftige Piraten traten ein. Nachdem sie Atlan in der üblichen Form begrüßt hatten, fielen sie über ihn her und trugen ihn zur Abstellkammer zurück. Schwungvoll warfen sie ihn dort auf das schmale Bett.
Tipa Riordan streckte den Kopf herein.
»Ich würde nicht protestieren«, sagte sie. »Für dich allein reicht der Platz, aber wenn du sprichst, mußt du rausgehen, um deiner Stimme Platz zu machen.«
Die Tür knallte zu. Atlan stieß eine Verwünschung aus. Sobald sie auf Tahun waren, sollte Tipa erleben, wozu ein Mann fähig war, den man auf diese Weise gedemütigt hatte.
Als Alaska Saedelaere eine halbe Stunde später vorbeikam, um den Lordadmiral zu besuchen, war Atlans Zorn verraucht. Saedelaere zwängte sich zwischen Stuhl und Bett und nahm Platz. Atlan war sicher, daß er hinter seiner Maske lächelte.
»Nicht gerade luxuriös«, bemerkte Saedelaere und blickte sich um.
»Ich lege auf die Gastfreundschaft dieser Hexe keinen Wert«, sagte Atlan grimmig.
Saedelaere kratzte sich am Hinterkopf.
»Ich hörte vorhin auf dem Gang Geräusche«, sagte er. »Hatten Sie Schwierigkeiten, Sir?«
Atlan musterte sein Gegenüber prüfend. Bei Saedelaere war man nie sicher, ob er spottete oder nicht.
»Ein Glück, daß wir Tahun bald erreichen werden«, sagte Saedelaere, um das anhaltende Schweigen zu unterbrechen.
Er konnte nicht ahnen, daß sie nie auf dem Stützpunkt der USO-Mediziner ankommen würden.
Mit halbgeschlossenen Augen lag Tipa Riordan auf einem weichen Fellbündel inmitten ihrer Kabine. Als Zellaktivatorträgerin brauchte sie nur wenig Schlaf, aber sie liebte es, ab und zu ein paar Stunden vor sich hin zu träumen. Diesmal mußten ihre Träume erheiternd sein, denn um ihren zahnlosen Mund spielte ein boshaftes Lächeln. Wenn sie sich bewegte, dann nur, um sich ihre runzligen Hände zu reiben.
Tipas Ruhe wurde gestört, als Kawa Dantroff anklopfte und gleich darauf eintrat. Dantroff schlug sich fest gegen das Kinn.
»Er hat wieder eine Eingabe gemacht, in der er gegen die Art seiner Unterbringung protestiert«, eröffnete der Erste Wesir das Gespräch.
»Herrlich!« sagte Tipa. Sie griff nach ihrem Stock und richtete sich ächzend auf.
»Wir sollten es nicht übertreiben«, meinte Dantroff. »Vier Stunden sind wir jetzt mit der DREADFUL unterwegs, und der Arkonide sitzt noch immer in der Abstellkammer.«
Tipa deutete mit der Stockspitze gegen die fellbehangene Wand.
»Eines Tages werde ich dem Arkon-Scheich das Fell über die Ohren ziehen und hier aufhängen«, prophezeite sie.
»Von solchen Trophäen halte ich nicht viel«, erklärte Dan troff.
»Ich will …« Tipa unterbrach sich und hob lauschend den Kopf. Dantroff blickte sie an. In seinem Gesicht begann sich Bestürzung abzuzeichnen.
»Spürst du das?« fragte Tipa entsetzt.
Dantroff war schon an der Tür.
»Ich muß schnell in die Zentrale«, sagte er. »Außer uns beiden ist kein Besatzungsmitglied mentalstabilisiert.«
»Ich komme mit!« entschied Tipa und packte ihren Stock fester.
Atlan riß die Tür zu Saedelaeres Kabine auf und wäre fast mit dem Transmittergeschädigten zusammengeprallt.
»Ich wollte gerade zu Ihnen kommen, Sir«, sagte Saedelaere.
»Sie spüren es also auch?«
Saedelaere bejahte.
»Wir müssen sofort in die Zentrale«, sagte Atlan. »Außer uns beiden sind nur Tipa und ihr Erster Wesir mentalstabilisiert. Sie können sich denken, was das bedeutet.«
Saedelaere blieb stehen.
»Die Impulse werden stärker«, sagte er. »Es handelt sich um eine starke Suggestivfront.«
»Wir werden die Befehle bald verstehen, die man uns auf diese Weise geben will«, sagte Atlan. »Kommen Sie jetzt, Alaska.«
Die beiden Männer rannten zum nächsten Antigravschacht. Auf dem Wege dorthin begegneten sie ein paar Piraten, die alle einen benommenen Eindruck machten und offenbar jede Initiative verloren hatten. Atlan preßte die Lippen zusammen. Der geheimnisvolle Angreifer mußte die DREADFUL durch die fünfdimensionalen Gehirnausstrahlungen des kranken Gefangenen aufgespürt haben.
Vielleicht war es Ribald Corello persönlich, der da angriff.
Atlan vermutete, daß irgendwo in der Nähe der DREADFUL ein Schiff der fremden Macht aufgetaucht war. Corello wollte wahrscheinlich unter allen Umständen verhindern, daß die Terraner Kenntnis von seinen Plänen bekamen.
Es war ein beruhigendes Gefühl, fünfzig Schiffe der Solaren Flotte in der Nähe zu wissen. Atlan glaubte nicht, daß die
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