Silberband 045 - Menschheit am Abgrund
Bewußtsein und verglich es mit dem Erinnerungsmuster.
Dieser Wächter ließ sich nicht betrügen. Er prüfte nicht nur die Identität jedes Besuchers, sondern auch die geistige Einstellung. Hätte eine verbrecherische Organisation Anson Argyris' Bewußtsein beeinflußt – was ohnehin nahezu unmöglich gewesen wäre –, so daß der Patriarch eine Schädigung der Menschheit anstrebte, wäre er sofort paralysiert worden. Eine Kopie Argyris' dagegen wäre gnadenlos getötet worden.
Der Energievorhang erlosch.
Ohne, daß er sich dazu hätte umdrehen müssen, erteilte Anson Argyris der Transportkapsel den Befehl, in einem bestimmten Bereitstellungssektor auf seine Rückkehr zu warten.
Sekunden später war der Schacht leer. An seinem Ende stand ein schwach grünliches Flimmern: das hyperenergetische Verteilerfeld, von dem aus der Kapselcomputer den jeweiligen Weg wählte. Die Erbauer dieser Anlage waren nicht in den Fehler verfallen, einen senkrecht verlaufenden Antigravschacht zur Biostation anzulegen. Das Geheimnis, das dort schlummerte, war viel zu bedeutsam, als daß man es nur mit konventionellen Mitteln hätte schützen dürfen. Zwischen dem Verteilerfeld ›oben‹ und dem in rund fünfhundert Metern Tiefe gab es ein Labyrinth von Leitschächten und Transmitterpunkten, in dem ein Unbefugter bis an sein Lebensende umherirren konnte, ohne den Ausgang zu finden.
Kaiser Anson Argyris ließ sich vom energetischen Gleitband durch die Halle der letzten Prüfungen befördern. Er registrierte die ungezählten Taststrahlen nur im Unterbewußtsein. Innerlich bereitete er sich bereits auf seine neue Rolle vor.
Zischend öffnete sich die sogenannte Dienerschleuse. Da sie nur beim Austritt benötigt wurde, glitt das gegenüberliegende Schott ohne Verzögern auf.
Anson Argyris befand sich in der Biostation.
Prüfend musterte er die Reihe der an den Schultern aufgehängten Körper. Sie hingen vollkommen erschütterungsfrei an Spezialhalterungen, teils mit offenen, teils mit geschlossenen Augen.
Argyris blickte durch den geöffneten Rumpf ins Innere des nächsten Körpers. Eine transparente Folie schützte die Organe wie Magen, Lunge und Herz vor Staub und eventuellen Keimen. Dünne Schläuche versorgten die sogenannten Kokonmasken, mit Sauerstoff, Nahrung und Vitalstoffen und entfernten die Stoffwechselprodukte wieder.
Bei der achtzehnten Maske hielt Anson Argyris an.
Er musterte das ebenholzfarbene Gesicht, das kurzgeschnittene blauschwarze Haar und die kaum merklich aufgeworfenen Lippen.
»Jargo Capothan …«, murmelte Argyris.
Der hagere Körper Capothans mit den schlanken Gliedmaßen, dem federnden Gang und der stolzen Kopfhaltung vermittelte der Synthese zwischen Positronen- und Organgehirn immer wieder von neuem das Erlebnis höchster Selbstbestätigung. In Zeiten der physischen Inaktivität hatten Positronik und Zellplasma von Vario-500 oft miteinander korrespondiert und sich Traumerlebnisse geschaffen, in denen Jargo Capothan fast nackt unter sengender Sonne durch mannshohes Steppengras geschlichen war, den Massaispeer in der Faust und dem dumpfen Grollen des Löwen lauschend, den die Freunde ihm zutrieben …
Anson Argyris reckte sich.
Gleich darauf glitt eine Halterung heran. Spezialklammern legten sich um die Schultern des Patriarchen, sanft und dennoch unerbittlich fest. Mit schnalzendem Geräusch fuhr Argyris' Rumpf auseinander, das zuckende Herz und die sich aufblähenden und wieder zusammenfallenden Lungenflügel wurden vom Grundkörper beiseite gedrängt. Die Rumpföffnung erweiterte sich.
Vario-500 hatte den Kontakt zum Argyris-Körper gelöst. Nun zog er den Ortungskopf und die teleskopartig ausgefahrene Gliedmaßensteuerung ein. Dadurch wurde automatisch ein Antigravaggregat im ovalen Roboterrumpf aktiviert.
Vario-500 schwebte aus dem Körper des Kaisers. Von allen Seiten griffen Servoarme zu, wuschen den Roboterkörper, überprüften die Festigkeit des Atronital-Compositums und ergänzten den Vorrat an Kernbrennstoff.
Anschließend schwebte der Roboter – noch immer mit eingezogenem Kopf und eingezogenen Gliedmaßen – auf den geöffneten Rumpf Jargo Capothans zu und zwängte sich hinein. Die Rumpföffnung schloß sich, und die Reizkontakte an der Roboterhülle aktivierten den Eigenkreislauf der Biomaske. Das Herz begann zu pumpen. Die Lungen füllten sich mit Luft und reicherten das Blut mit Sauerstoff an. Die Versorgungsleitungen fielen nacheinander ab.
Die Halterung fuhr Jargo
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