Silberband 048 - Ovaron
Sumpf.
»Wir reiten zurück!«
Ich schwang mich in den Sattel und griff nach den Zügeln. Im nächsten Moment erstarrte ich.
Mein Armbandgerät hatte sich mit einem Mentalimpuls gemeldet …!
Ich riß meinen linken Ärmel hoch und hob das Geheimgerät ans Ohr. Konzentriert lauschte ich den Intervallen verschiedenartiger Summtöne. Niemand außer mir hätte mit diesen Tönen etwas anfangen können; sie gehörten zu einem Symbolkode meiner Geheimanlagen.
Die Symbole kamen nicht aus meiner Geheimzentrale, sondern von meinem Sextadimspürer, einem goldfarbenen spindelförmigen Kombinationsgerät, das auf einer verborgenen Sumpfinsel weit von hier installiert war.
Wer die Goldene Spindel installiert hatte, wußte ich nicht. Aber ich wußte, daß sie zu jener Ausrüstung gehörte, die mir die Erfüllung eines geheimnisvollen Auftrags ermöglichen sollte.
Diesmal schickte die Spindel mir eine Warnung, die ich bereits kannte. Unbekannte experimentierten wieder einmal mit den Kräften der Zeit – und heute hatte die Spindel sie mit ihrer Rücksturzpolung nicht aufhalten können.
Jemand oder etwas befand sich auf dem Weg in diese Zeitebene.
»Nun muß ich mich doch über Levtrons Anschlag beschweren«, brummte ich, nachdem mir alle Möglichkeiten durch den Kopf gegangen waren.
»Ich denke, es hätte keinen Sinn, Ovaron?« fragte Takvorian, setzte sich aber doch in Bewegung. »Außerdem hast du Levtrons Waffe und damit das einzige Beweisstück weggeworfen.«
»Schneller, mein Freund«, erwiderte ich. »Außerdem kommt es gar nicht darauf an, ob Lasallo mir glauben wird oder nicht. Ich brauche lediglich einen Vorwand, um die Jagdgesellschaft verlassen zu können. Niemand darf argwöhnen, ich hätte Heimlichkeiten gegenüber dem Chefdirektor.«
Takvorian beeilte sich. Als wir den Sumpfwald verließen, streckte sich sein geschmeidiger Körper. Die Hufe rissen Gras und Dreck aus dem Boden, als sie über die Steppe donnerten. Zwei Raubkatzen drückten sich erschrocken in eine Mulde, ihnen mußten Pferde und Reiter wie eine wilde Horde erscheinen.
Bald entdeckte ich Levtron, der auf seinem Morga lag und sich immer wieder ängstlich umsah. Es juckte mich in den Fingern, dem heimtückischen Kerl einen Pfeil ins Gesäß zu jagen. Doch ich beherrschte mich.
Takvorian überholte Levtrons Morga mühelos.
Nach einer halben Tages-Zeiteinheit sah ich eine Staubwolke. Eine große Herde Zentauren floh in heller Panik vor etwa dreißig Jägern. Immer wieder stürzten von Pfeilen getroffene Halbtiere.
In einer dicht aufgeschlossen reitenden Gruppe entdeckte ich Lasallo. Takvorian ritt unaufgefordert an den Chefdirektor des Tranat-Systems heran und drängte seinen Morga ab.
»Was soll das?« rief Lasallo mir wütend zu und versuchte, an mir vorbeizukommen.
»Ich muß dringend mit Ihnen sprechen!« rief ich. »Man hat ein Attentat auf mich verübt.«
Lasallo zügelte seinen Morga.
»Was?«
»Levtron hat mich verfolgt und versucht, mich zu ermorden«, erklärte ich. »Er hat mich aus dem Hinterhalt mit vergifteten Pfeilen beschossen.«
Lasallo überlegte rasch, dann sagte er ungläubig lächelnd:
»Wahrscheinlich hat er Sie nicht getroffen, sonst wären Sie jetzt nicht hier, Ovaron.«
»Das ist aber nicht Levtrons Verdienst.« Ich bemühte mich, wütend und erregt zu wirken. »Ich fordere die exemplarische Bestrafung dieses Attentäters!«
Lasallo blickte mich prüfend an.
»Ovaron, ich schätze Sie sehr, aber Sie sind noch sehr jung. In Ihrem Alter neigt man dazu, Dinge überzubewerten.«
Beinahe hätte ich laut gelacht. Einen Mordanschlag konnte man wohl kaum überbewerten. Aber ich widersprach nicht. Schließlich wollte ich gar nicht, daß Levtron bestraft wurde – jedenfalls nicht von Lasallo.
»Ich nehme an, Sie sind einem Mißverständnis zum Opfer gefallen, Ovaron«, fuhr der alte Wissenschaftler fort. Er wollte mich sicher nur beschwichtigen. »Bei einer hektischen Jagd verirrt sich ein Pfeil nur zu leicht. Levtron und Sie sind hochintelligente Männer. Ich schätze Sie alle beide, und Sie sollten sich wirklich vertragen können.«
Ich reckte mich.
»Nun, vielleicht sagen Sie das Levtron einmal. Ich werde jedenfalls nicht länger bei einer Jagdgesellschaft bleiben, in der mit vergifteten Pfeilen auf mich geschossen wird!«
Ich hob die Hand zum Gruß, schnalzte mit der Zunge und ritt davon – ganz der in seiner Ehre verletzte Angehörige einer der edlen Familien des Cappin-Geschlechts.
Lasallo dachte
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