Silberband 053 - Die Urmutter
es völlig sinnlos zu wissen, wie hoch die Belastung der Schutzschirme war.
Die Feuerlohe, die sich rings um das Trägerschiff staute, schien undurchdringlich zu sein. Über der MARCO POLO klafften immer wieder Risse im Raum-Zeit-Gefüge, und der Paratronschirm war nicht mehr in der Lage, die gesamte Energie abzustoßen. So wurde der unter dem Paratronschirm liegende HÜ-Schirm immer stärker erschüttert. Hinzu kam, daß sich zwischen beiden Schirmen ein Energiefeld aufbaute, das die MARCO POLO in ein ortungstechnisch blindes Schiff verwandelte.
Korom-Khan riß sich mit einem Fluch die SERT-Haube vom Kopf.
»Es hat keinen Sinn mehr. Machen Sie allein weiter, Ahrat. Vielleicht habe ich mit manueller Steuerung mehr Glück.«
Ahrats Gesichtsausdruck bewies, daß er weder in die eine noch in die andere Methode jetzt viel Vertrauen setzte.
»Was ist los?« schrie Danton und beugte sich zu dem Obersten hinüber.
»Ich fliege jetzt das vierundzwanzigste Ausweichmanöver!« schrie der Ertruser zurück.
Irgendwo im Schiff gab es ein explosionsartiges Geräusch. Wieder schrillten Alarmanlagen.
Aus den Maschinenräumen meldete sich Chefingenieur Nemus Cavaldi. »Einer der Schwarzschildmeiler ist ausgefallen.«
Danton nahm die Hiobsbotschaft gelassen hin. »Wie steht es mit den anderen?«
»Arbeiten einwandfrei – vorläufig! Wir versuchen den Schaden zu beheben.«
Die Verbindung wurde von einem Rauschen unterbrochen. Noch einmal wurde Cavaldis Stimme hörbar, aber diesmal so leise, daß Danton die Worte des Ingenieurs nicht verstand.
Korom-Khan ließ die MARCO POLO ein paar tausend Meilen absacken und beschleunigte sie dann seitwärts, ein Manöver, das die überlasteten Maschinenanlagen mit dem Ausfall zweier Konverter quittierten. Doch die MARCO POLO bekam für ein paar Sekunden Luft, während sich über ihr die Ganjasenschiffe zu einem neuen vernichtenden Angriff formierten.
Korom-Khan besaß den Instinkt eines in die Enge getriebenen Tieres. Er wagte alles und stieß mit dem Schiff wieder nach oben, genau in die gegnerischen Verbände hinein, die sofort das Feuer eröffneten.
Doch die MARCO POLO kam durch. Plötzlich erhellten sich die Bildschirme.
»Der Weltraum!« rief Waringer beinahe ehrfürchtig. »Ich sehe den Weltraum wieder.«
Die MARCO POLO begann aus allen Bordwaffen zu feuern und errichtete hinter sich eine Feuerwand aus reiner Energie, die die Verfolger zumindest ein paar Sekunden aufhalten würde.
Weit im Hintergrund flimmerte der Energieschirm der Arrivazone. Die MARCO POLO raste darauf zu.
Danton merkte nicht, daß er sich vor Anspannung die Lippen blutig gebissen hatte.
»Großartig!« schrie er Korom-Khan zu. »Ich glaube, daß wir jetzt durchkommen.«
Ein paar abseits wartende ganjasische Einheiten flogen der MARCO POLO entgegen. Die Absicht der gegnerischen Kommandanten war klar. Sie wollten die MARCO POLO in ein neues Gefecht verwickeln und sie aufhalten, bis die übrigen Verbände heran waren.
Kosum schnaubte verächtlich. In der Feuerleitzentrale reagierten Major Guasa und seine Gunner hervorragend. Die Polgeschütze des Trägerschiffs eröffneten das Feuer auf die ganjasischen Schiffe, deren Kommandanten glauben mußten, daß ihr Vorhaben gelang. Doch hinter dem Vorhang aus Feuer, der sich im Weltraum bildete, raste die MARCO POLO schon weiter.
Inzwischen hatten sich die ganjasischen Einheiten erstaunlich schnell neu formiert. Die Verfolgung der MARCO POLO wurde fortgesetzt.
Aber auch die Ganjasen mußten wissen, daß sie im entscheidenden Augenblick nicht aufgepaßt hatten. Der Vorsprung des terranischen Flaggschiffs war groß genug. Das tollkühne Manöver, bei dem Korom-Khan die Sicherheit des Schiffes gefährdet und das Leben aller Besatzungsmitglieder riskiert hatte, bedeutete die Rettung für die MARCO POLO.
Unangefochten erreichte das riesige Schiff die Arrivazone. Es glitt durch die Strukturschleuse. Die ganjasischen Einheiten blieben zurück.
Danton konnte sich vorstellen, was sich jetzt an Bord der Verfolgerschiffe abspielte. Die Kommandanten würden einander Vorwürfe machen.
In der Zentrale der MARCO POLO jedoch herrschte Jubel. Begeisterte Raumfahrer rissen Korom-Khan und Senco Ahrat aus den Sitzen, um sie zu feiern. Acht Männer schleppten den schweren Ertruser auf ihren Schultern durch die Zentrale.
Nur mit Mühe gelang es Roi Danton, bis zu Korom-Khan vorzudringen. »Ich gratuliere Ihnen!« rief er dem Obersten zu.
Der Ertruser grinste. »Es war nichts!«
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