Silberband 053 - Die Urmutter
kuppelförmige Wagen ohne Grund angehalten hatte. Wir begannen die Wände abzusuchen und entfernten uns auf diese Weise immer weiter vom Tunnelgleiter.
Rhodan schlug vor, einen Roboter aus seiner Nische zu holen, um herauszufinden, ob es dort vielleicht einen Durchgang gab. Ich willigte ein.
Der Automat war so schwer, daß wir ihn nicht heben konnten. Wir hatten keine andere Wahl, als ihn umzustürzen. Er fiel auf den Boden und verursachte dabei einen derartigen Lärm, daß ich unwillkürlich nach allen Seiten blickte. Aber hier unten gab es außer Rhodan und mir keine lebenden Wesen, wenn man von Terton einmal absah, den man bei großzügiger Auslegung des Begriffs auch unter die Lebewesen einordnen konnte.
Die Nische ließ sich tatsächlich nach der dem Tunnel abgewandten Seite hin öffnen.
Durch eine schmale Öffnung zwängten wir uns in einen halbdunklen Raum, in dem riesige Energiespeicher standen, die bis unter die Decke reichten.
Ich kam mir neben den mächtigen Anlagen winzig vor.
»Nichts«, sagte Rhodan enttäuscht. »Ich hatte gehofft, endlich den Programmierungsraum zu finden.«
Zwei röhrenförmige Objekte senkten sich von der Decke auf uns herab. Ich wollte ausweichen, konnte mich jedoch nicht bewegen. Irgend etwas paralysierte mich.
Die Röhre wurde über mich gestülpt. Es wurde dunkel. Etwas begann zu rauschen. Dann hörte ich Klopfgeräusche. Vielleicht war das Rhodan, der mir Signale geben wollte.
War er der ihm zugedachten Röhre entkommen?
»Ovaron?«
Die dumpfe Stimme ließ mich zusammenzucken.
»Ovaron!«
Der Ruf explodierte förmlich in meinem Gehirn.
Die Röhre wurde durchsichtig. Davor stand Terton der Dunkle. Er hatte beide Arme erhoben. In dieser Haltung sah er würdevoll und gefährlich zugleich aus.
»Terton!« antwortete ich. »Was bedeutet das? Warum bist du wieder aufgetaucht?«
Sein ebenmäßig geformter Körper reflektierte das schwache Licht und schien es zu verstärken.
Ich sah meine Negative Summe an und wartete darauf, daß sie sich wieder melden würde.
Terton dachte: »Du hast dein Ziel fast erreicht. Hinter dem Raum, in dem wir uns jetzt befinden, liegt die Programmierungszentrale.«
»Dann befreie mich aus dieser Lage«, forderte ich ihn auf. »Was soll das jetzt noch bedeuten?«
Sein telepathisches Gelächter flutete in schmerzhaften Wellen durch mein Bewußtsein. Er beruhigte sich nur langsam. Ich erkannte plötzlich, was mich seit unserem Eindringen in diese Station bedrückt hatte.
Terton!
Meine Negative Summe hatte sich auf unangenehme Weise ausgewirkt. Seine telepathischen Impulse, die ich unbewußt empfangen hatte, waren fast zu meinem Verhängnis geworden.
Ich begriff, daß Terton eine ungeheure Gefahr war. Er stand zwischen mir und der Urmutter.
»Dachtest du wirklich, ich würde zulassen, daß du die Urmutter übernimmst?« rief er voller Hohn. »Das würde gleichzeitig mein Ende bedeuten.«
»Du kannst nicht gegen mich kämpfen«, versuchte ich ihn umzustimmen. »Du bist ich – und ich bin du.«
Bösartige Impulse waren die Antwort. Ich begann zu befürchten, daß das, was ich jetzt erlebte, kein Teil eines großangelegten Tests war, sondern ein unprogrammierter Zwischenfall, bei dem der Gegner von Anfang an im Vorteil war.
Ich war gelähmt und steckte außerdem noch in dieser Röhre. Was sollte ich gegen Terton unternehmen?
»Es ist sinnlos, wenn du dich gegen mich stellst«, beschwor ich den Dunklen. »Du bist kein lebendes Wesen. Du bist eine Fiktion oder eine Energieprojektion. Ich weiß nicht, wie die Urmutter dich zu dem gemacht hat, was du jetzt darstellst. Du hast nicht einmal ein Gesicht. Was willst du erreichen?«
Er belehrte mich, daß das eine grundsätzliche Frage war.
»Ich bin ein Teil deiner Persönlichkeit«, dachte er wütend. Sein Zorn war so groß, weil ich ihn nicht verstand. Er wollte verstanden und anerkannt werden. »Wir haben uns schon immer gestritten. Früher, als ich noch in deinem Unterbewußtsein war, konnte ich nichts gegen dich tun. Immer war ich der Unterlegene. Fast immer setzte sich deine von Tabus und Moralbegriffen strotzende Persönlichkeit durch. Ich lebte im Untergrund, ohne daß du viel von mir wußtest. Nur ab und zu kam ich an die Oberfläche deines Bewußtseins und veranlaßte dich zu Taten, die du dann später immer bereutest. Ja – du schämtest dich meiner! Du schämtest dich, obwohl ich ebenso zu dir gehörte wie das, was du für gut hältst.«
Ich war bestürzt.
Es war unfaßbar.
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