Silberband 054 - Finale für Pluto
Edmond Pontonac in seinen kleinen Dienstgleiter stieg und die Maschinen
einschaltete, ahnte er noch nicht, daß er in den nächsten Stunden und den nächsten zwei Tagen zum
Zeugen einer historischen Entwicklung werden würde. Pontonac war der militärische Kommandant auf
dem Saturnmond Titan.
Es war weit nach Mitternacht in terranischer Standardzeit.
Pontonac, der sich selbst manchmal wie ein uralter Mann fühlte, war erst knapp achtundsechzig
Jahre alt. Bei einer Lebenserwartung von einhundertachtunddreißig Jahren im Durchschnitt galt
Edmond als Mann in den besten Jahren. Er steuerte den Gleiter aus dem Parkraum unterhalb des
kleinen, runden Bauwerks der Kommandantur heraus, sah hinauf in die Atomsonnen rund um den
Saturntrabanten und bemerkte zum tausendsten Male die leicht neblige Sauer Stoffatmosphäre des
Titan.
Die meisten Gebiete des Mondes, der für das Solare Imperium militärisch wichtig war, lagen
unter dem Einfluß einer 1-g-Schwerkraft, die erst die Voraussetzung dafür bildete, daß eine von
Menschen atembare Lufthülle an ihn gebunden werden konnte. Der Gleiter sank mit aufgeblendeten
Scheinwerfern wieder auf die Piste zurück, die in einer weiten Kurve auf die Bergrücken zuführte,
auf denen zwischen Wäldern aus Spezialgewächsen die Wohnbauten der Terraner standen. Etwas bitter
betrachtete Edmond, während er den Gleiter in die Nähe der Korkenzieherschlucht steuerte, die
erleuchteten Fenster. Auch er wünschte sich im Augenblick Ruhe und Geborgenheit, aber er hatte
Wichtigeres zu tun.
Natürlich hörten sie hier alle Meldungen von dem erbitterten Waffengang zwischen den Terranern
und den Invasoren. Selbstverständlich hatten sich viele Menschen auch daran erinnert, daß dieser
Mond, jetzt ausgebaut als Nachschublager, Werft und Ausrüstungsfabrikation, eine lange und
bewegte Geschichte hatte. Der Nullzeitdeformator war hier abgesetzt worden, und hier befand sich
auch jenes Geheimdepot des Ganjos, zu dem nur ein Terraner Zutritt hatte. Nur einer wurde
von dem Kommandogehirn akzeptiert:
»Ausgerechnet ich!« stöhnte Edmond.
Früher, überlegte er, während sich sein Gleiter mit mäßiger Geschwindigkeit den Akalos-Bergen
in der Nähe des theoretischen Nordpols des Mondes entgegenbewegte, herrschte auf Titan noch die
typische, niedrige Atmosphäre eines gefrorenen, sonnenfernen Mondes – Methangas mit
Wasserstoffanteilen. Heute hatten die Umwandler, von den wärmenden Atomsonnen unterstützt, eine
erdähnliche Lufthülle hergestellt, und nur der Umstand, daß ständig das gewaltige Schauspiel des
Saturn mit seinen drei schmalen Ringen den dunklen Himmel ausfüllte, erinnerte daran, daß man
sich hier fern von der Erde und fern der wärmenden Sonne befand.
In den Bergen in Polnähe waren die verwinkelten Stollen und die riesigen Hallen des Depots,
das Ovaron vor zweihundert Jahrtausenden hatte anlegen lassen. Jetzt hatte das Kommandogehirn
eine beunruhigende Aktivität festgestellt und ihn, Pontonac, verständigt.
Er mußte nachsehen, ob Ursache und Wirkung, wie vermutet, die Auseinandersetzung zwischen
cappinschen Sammlern und Terranern und die Reaktion verschiedener automatischer Geräte darauf
waren.
Er steuerte weiter. Unter den brennenden Atomsonnen, von denen die Luft erwärmt wurde, entlang
der dunkelgrünen Pflanzungen, entlang eines riesigen Oberflächenmagazins und einiger Wohnhäuser,
in die Richtung der Korkenzieherschlucht. Es war vom Kommandogehirn den terranischen Maschinen
erlaubt worden, den letzten Teil der Strecke zwischen den Felsen zu planieren und Kontrollichter
anzubringen. Dies war geschehen.
Ein breiter Streifen Wald erstreckte sich links und rechts von der Schlucht.
Pontonac durchfuhr die Industrieschleife, hörte die Durchsage, daß er sich in einem
geschützten und gesperrten Bezirk befände, und wurde etwas schneller. Dann, nachdem er die
Zusatzscheinwerfer eingeschaltet hatte, nahm ihn die dunkle Schlucht mit den steilen schwarzen
und korkenzieherartig gedrehten Felsformationen auf.
»Gleich werde ich wissen, was diese plötzliche Aktivität zu bedeuten hat«, sagte Pontonac zu
sich selbst und verringerte die Geschwindigkeit, als der kurvige Teil der Strecke begann. Unter
dem Gleiter breitete sich eine planierte Schicht kleinen schwarzen Gerölls aus, dessen Ecken und
Kanten im Licht wie Diamanten glitzerten.
Schließlich, nach einer kurvenreichen Strecke, hielt Edmond Pontonac vor der schweren
Schleuse.
Er
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