Silberband 055 - Der Schwarm
Erschöpfung übermannten ihn. Er ließ sich auf der Treppe nieder, öffnete seinen Gürtel und nahm ein stimulierendes Konzentrat zu sich.
»Gute Idee!« sagte Gryndheim und bediente sich ebenfalls.
Opprus fragte sich, wie lange sein Körper noch durchhalten würde. In den letzten Wochen hatte er zu immer stärkeren Anregungsmitteln greifen müssen, um mit einem Minimum von drei bis vier Stunden Schlaf auskommen zu können.
»Ich sehe mich ein bißchen um«, erbot sich Pohklym und schlich geduckt davon.
Gryndheim wartete, bis Pohklym außer Hörweite war.
»Was halten Sie von ihm, Opprus?«
Opprus sah Gryndheim überrascht an. »Wie meinen Sie das?«
Der Funker verzog das Gesicht.
»Was wissen wir über ihn? Angeblich ist er von der SolAb. Aber als er zu uns kam, besaß er keine Papiere. Wir konnten seine Identität nicht prüfen.«
Opprus lachte auf.
»Was soll das? Kein Mensch in Imperium-Alpha denkt daran, die Identität eines Immunen zu überprüfen. Wir sind froh um jeden, der zu uns kommt, um uns zu helfen.«
Die Blicke Gryndheims blieben auf die Stelle gerichtet, wo Pohklym bis vor wenigen Augenblicken gekauert hatte.
»Irgendwie ist mir der Kerl unheimlich. Er redet nicht viel, weiß über alles Bescheid und kann eine Menge.«
»Das klingt eher nach einer Qualifikation als nach einer Abwertung«, meinte Opprus.
Gryndheim flüsterte eine Verwünschung und schwieg. Wenige Augenblicke später tauchte Pohklym am oberen Treppenrand auf und winkte ihnen.
Opprus und Gryndheim erhoben sich.
»Dort!« sagte Pohklym und deutete auf einen umgestürzten Prallgleiter neben einem Brunnen. »Zwischen den Säulen und dem Gleiter gibt es einen Durchgang.«
Opprus blickte sich um. Alles blieb ruhig. Vielleicht hatten die Menschen in den Gebäuden ihre Absichten aufgegeben.
Im Prallgleiter lag ein toter Mann. Er hatte das Genick gebrochen. Opprus ahnte, daß es erst vor ein paar Stunden geschehen war. Die Polster des Flugzeugs waren in Brand geraten und sofort gelöscht worden. Der Inhalt der Löschautomatik klebte dem Toten wie Schnee im Gesicht und an den Händen.
Der Brunnen funktionierte nicht mehr. Seine Düsen, die farbiges Wasser in Antigravitationsfelder gesprüht hatten, ragten wie erhobene Arme aus dem gefüllten Becken. Zentrum des Beckens bildete die abstrakte Darstellung der STARDUST I, jenes legendären Raumschiffs, mit dem Perry Rhodan im Jahr 1971 zum Mond geflogen war.
Für Opprus war diese Zeitspanne nicht mehr vorstellbar. Und doch gab es ein paar Menschen, die damals schon gelebt hatten.
Die drei Männer schoben sich zwischen den Brunnensäulen und dem Gleiter auf den freien Platz, in den die Straße mündete. Opprus wußte, daß hier früher eine Freilichtbühne existiert hatte. Doch daran erinnerten nur noch die Einzelteile von Tribünengerüsten, die überall herumlagen. Die große Wand eines Verwaltungsgebäudes im Hintergrund zeigte noch das verwaschen aussehende Bühnenbild der letzten Aufführung.
Auch dieser Sektor gehörte noch zu Imperium-Alpha; früher hatten in den umliegenden Häusern Techniker und Ingenieure aus der Zentrale gewohnt. Kaufhäuser und kulturelle Einrichtungen waren eigens für die Bediensteten von Imperium-Alpha entstanden. Zu diesem Gebiet der Zentrale hatten jedoch alle Stadtbewohner Zutritt gehabt. Das Wohnviertel von Imperium-Alpha war eines der kulturellen Zentren von Terrania-City gewesen.
»Wir bleiben dicht bei den Gebäuden«, befahl Opprus.
Regen und die hereinbrechende Dunkelheit verhinderten, daß sie den großen Platz völlig übersehen konnten. Im Hintergrund schwebten ein paar Leuchtkugeln, die ihre Energie aus einer noch funktionierenden Energiequelle bezogen.
Opprus umklammerte seine Waffe und setzte sich in Bewegung. Er war entschlossen, jedem Kampf aus dem Weg zu gehen. Ihr Ziel war die meteorologische Hauptstation. Sie mußten sie auf dem schnellsten Weg erreichen.
Über den Lärm des Sturmes hinweg vernahm Opprus ein rhythmisches Hämmern, das aus dem Haus kam, an dem sie gerade vorbeigingen. Gryndheim sah ihn fragend an.
»Wir kümmern uns nicht darum!« entschied Opprus.
Quer über den Platz kamen zwei abgemagerte struppige Hunde. Sie knurrten und bellten gegen den Regen. Dann senkten sie die Nasen wieder tief auf den Boden, als witterten sie irgend etwas.
Opprus fragte sich, inwieweit die Tiere von der Verdummung betroffen waren. Darum hatten sie sich noch nicht gekümmert, weil sie keine Zeit dazu hatten. Die Tiere besaßen
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