Silberband 057 - Das heimliche Imperium
herum, schlug einen Haken und befand sich am Rand eines riesigen Tellers aus blasigem Gestein, das in allen Farben leuchtete. In der Mitte dieses natürlichen Brunnens, an der höchsten Stelle, sprudelte ein breiter Wasserstrahl hoch und lief plätschernd nach allen Seiten ab.
»Wasser …«
Sandal rutschte aus, ruderte mit den Armen und stolperte aus dem Halbschatten der großen Büsche heraus.
Sie entdeckten einander gleichzeitig – die beiden Verfolger sahen ihn an, er sah, wie die Waffen auf ihn gerichtet wurden.
Die Fremden standen auf einem abgerundeten, säulenartigen Stück Kalk, an dessen Flanken das Wasser herunterlief.
Sandal hechtete nach links, rollte sich unter einem Busch zusammen und sprang auf. Als er zwei Meter tiefer im Wald wieder stehenblieb, zerfetzte eine Explosion den Busch, hinter den er sich gerettet hatte. In einer einzigen Reflexhandlung war der Pfeil auf der Sehne, jetzt zielte Sandal und jagte einen Pfeil durch einen Wasserschleier auf den ersten Verfolger. Der Fremde kippte langsam von der Säule und fiel herunter ins Wasser. Sandal sah nicht mehr zu, ob er sich im Tod wieder verkleinerte, sondern setzte den nächsten Pfeil auf die Sehne.
Der Fremde lag flach auf der Säule, Sandal sah nur die Mündung der Waffe.
Er sah sich um, niemand schien diesen Zwischenfall bemerkt zu haben. Sandal blieb in der Deckung, bewegte sich in einem Halbkreis um den schüsselförmigen Beckenrand herum und richtete seinen Pfeil, während er sich anschlich, stets auf dasselbe Ziel.
»Jetzt!« keuchte er atemlos.
Dann verließ das lange Kunststoffgeschoß die Sehne, heulte einhundert Meter durch die Luft und schlug ein. Die gnadenlose Kraft riß den Fremden halb hoch, er taumelte und rollte langsam von seinem Felsen herunter. Der junge Krieger setzte in zwanzig riesigen Sprüngen quer über die runden Formen des ausgeschiedenen, kristallisierten Gesteins, durch das flache, warme Wasser und vorbei an der Zentralfontäne. Dann verschwand er wieder im Wald.
»Vorbei, Freund!« sagte Sandal Tolk grimmig.
Er lief jetzt langsam, schonte seine Kräfte und folgte einem Tierpfad, der in wirren Windungen durch den Wald führte. Binnen kurzer Zeit würde Sandal die mondsichelförmige Ebene erreicht haben, die trockene Savanne, die nur entlang des Bachlaufes etwas Grün zeigte. Grün bedeutete Gewächse, und diese waren für ihn die beste Deckung. Er mußte versuchen, die Wüste in der Nacht zu durchqueren.
›Die Fußgänger‹ unter den Fremden aus dem Schwarm hatte er längst hoffnungslos abgeschüttelt.
Aber noch immer suchten etwa zweihundert fliegende Fremde nach ihm.
Als es dunkelte, kam er an den Rand des Waldes. Er betrat die Savanne dort, wo der schmale Bach, umrahmt von halbhohen Gewächsen aller Art, aus dem Wald herausfloß. Weit und breit war keiner der Verfolger zu sehen.
Sandal lehnte sich an einen massiven Stamm und wartete. Er war ausgelaugt und hungrig, müde und abgekämpft. Er blickte genau nach Süden, und da sah er die Silhouette der Felsnadeln vor der riesigen Kuppel, deren gekrümmten Umriß er nicht mehr deutlich sah; die Sonne brach sich an der Rundung, und der Rest verschmolz mit dem schwarzblauen Himmel.
»Vielleicht kann ich einige Stunden ausruhen«, überlegte Sandal laut.
Es gab für ihn zwei Möglichkeiten. Entweder versuchte er, möglichst viel Strecke zwischen sich und die Verfolger zu bringen. Dann war es besser, weiterzulaufen. Oder er wartete, um im Schutz der Dunkelheit am Bach entlang durch die Savanne zu rennen. Das erschien ihm weit besser, denn dann konnte er die Fremden besser sehen, weil das Feuer und die silbrigen Anzüge ideale Ziele abgaben. Er aber verschmolz mit der Nacht, die der Freund des Jägers war.
»Ich warte!« sagte er entschlossen.
Sämtliche Muskeln schmerzten. Sandal hatte das Wasser trinken können, ohne daß ihm schlecht geworden war; ein gutes Zeichen – also würde er auch das Fleisch der Tiere essen können. Doch welcher? Bisher hatte er nicht viele Tiere gesehen, die größer als seine Hand waren. Er unterdrückte seinen Hunger, kühlte sein Gesicht mit Wasser und nahm die kleine Tube aus einer der zahlreichen Jackentaschen. Er merkte, daß tagsüber die Sonne und die Hitze des Vulkans sein Gesicht verbrannt hatten.
»Der donnernde Berg … ich höre ihn nicht mehr«, stellte er plötzlich verblüfft fest.
Seit einigen Minuten schwieg der Vulkan. Von dem schwefligen Geruch in der Luft war nichts mehr zu riechen. Sandal stand
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