Silberband 057 - Das heimliche Imperium
zwanzig Kilometern bis zur Tiefe von dreihundert Metern ausgewaschen und ein gewaltiges Höhlenlabyrinth geschaffen, dessen einzelne Teile fast ausnahmslos miteinander in Verbindung standen. Jetzt aber war der mächtige, reißende Fluß nur noch ein Bach, der sich zwischen den Felsen auf der Sohle des Cañons dahinschlängelte.
Nur ein zehn Kilometer langer Grundwassersee, dessen Oberfläche ebenfalls ein System von verwirrenden Ausmaßen zeigte, war noch von der Pracht des Flusses der Urzeit übriggeblieben.
Tahonka-No wußte dies alles.
Er wußte auch, daß dieses Labyrinth für ihn das beste aller Verstecke bot, wenigstens auf diesem Teil des Planeten Vetrahoon. Und als er den ersten der Furchtbaren Schergen auf sein Versteck zukommen sah, feuerte er augenblicklich und tötete ihn. Das geschah, als die Sonne drei Handbreiten über dem östlichen Rand des Cañons schwebte und ihre rötliche Glut über Vetrahoon ausschüttete.
Und dann tauchten andere Schergen auf. Fast zweihundert, wie er zählte.
»Die Furchtbaren Schergen … entweder sie oder ich!« sagte Tahonka-No.
Er zog sich zurück und zielte sehr sorgfältig.
Ein tausendfaches Echo rollte durch das Höhlensystem.
Das Echo schwächte sich ab, verstärkte sich, wurde hundertfach gebrochen. Sandal erwachte augenblicklich. Er besaß die Fähigkeit eines jungen Wilden, sofort nach dem Aufwachen voll handlungsfähig zu sein. Binnen weiterer zehn Sekunden hatte er die drei Köcher auf dem Rücken, den Bogen ergriffen und die Waffe in der Brusttasche entsichert. Dann kletterte er aus seiner Nische heraus. Ein zweiter Schuß alarmierte ihn.
Verfolgten sie ihn? Warum schossen sie dann?
Er lief durch die große Höhle und wurde ein drittes Mal von einer Schallwelle erreicht. Da er um sich herum keine Einschläge und Feuerbälle sehen konnte, zweifelte er daran, daß sie ihn entdeckt und beschossen hatten.
»Kämpfen sie untereinander?« fragte er sich und rannte hinaus in das Sonnenlicht. Er kam aus dem Schutz der Felswand hervor, sah sich um und entdeckte schräg vor und über sich einen Halbkreis, den die fliegenden Fremden bildeten. Aus den Läufen ihrer Waffen blitzte Feuer auf. Die Fremden beschossen einen Punkt etwa eineinhalb Kilometer von Sandals Standort entfernt.
»Sie beschießen einen anderen Fremden. Jeder, der sie bekämpft, muß mein Freund sein«, sagte Sandal.
Der Tag begann mit Kampf, nicht mit Jagd. Er hatte es nicht gewollt, aber er nahm diese Herausforderung an.
Sandal spurtete los.
Er bewegte sich halb im Licht, halb im Schatten einer Felswand. Seine Stiefelsohlen traten auf Sand und kleine Steine, die sich auf dem Felsband abgelagert hatten. Langsam näherte sich Sandal Tolk den schwebenden Verfolgern, aber er konnte ihr Ziel noch nicht entdecken. Er blieb stehen, als eine Gruppe von drei Fremden in seine Nähe kam. Sie wurden von der Sonne geblendet. Nacheinander verließen drei Pfeile die summende Bogensehne, die drei Fremden taumelten in großen Spiralen zu Boden. Einer blieb mitten im Wasser des Baches liegen. Sandal hastete weiter – nach Süden. Das Felsband brach ab, er drehte um und verschwand etwa zehn Meter weiter in einem Seitengang. Wieder hörte er Schüsse und deren Echo. Etwa hundert Meter weit ging es durch Höhlen, dann mündete eine Nebenhöhle wieder auf das schmale Felsenband. Sandal befand sich jetzt fast dem Zentrum des Halbringes gegenüber, und er sah zu seinem Erstaunen, wie nacheinander drei Kugeln schmerzhafter Helligkeit detonierten und drei Jäger töteten.
»Ein Fremder schießt mit furchtbarer Waffe«, kommentierte er. »Ein zukünftiger Freund, der gegen eine Übermacht kämpft!«
Er zog sich zurück, legte einen Pfeil auf und zielte.
Niemand sah ihn; es herrschte ein furchtbares Chaos. Die Fremden aus dem bruchgelandeten Schiff wichen aus, gingen auf die Sohle des Tales nieder und versteckten sich hinter Felsen. Drei … vier von ihnen kamen direkt auf Sandal zu und starben, noch ehe sie ihn treffen konnten. Jeder dieser Pfeile war verloren, aber er hatte sein Ziel erreicht. Wieder zerfetzte eine Detonation einen Fremden, der einzelne Kämpfer blieb weiterhin unsichtbar. Aber er war ein Meisterschütze. Die Felsen hallten wider von dem Echo und den krachenden Explosionen.
»Ich werde ihm helfen!« beschloß Sandal.
Er trat wieder aus dem Schatten heraus, einen Pfeil auf der Sehne, aber mit unausgespanntem Bogen. Der Raum zwischen den Felsen war leer, aber rund hundertfünfzig Fremde
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