Silberband 057 - Das heimliche Imperium
er wußte, weil Chelifer und Atlan es ihm gezeigt hatten, daß es mehr gab, als er selbst erfassen konnte, staunte er, als er das Ende der Schlucht auf der linken, westlichen und der rechten, östlichen Seite erblickte. Die Sonne schien nicht mehr senkrecht herunter, die Schatten waren also länger und deutlicher geworden, und an beiden Seiten des Cañons erhoben sich riesige Bauwerke. Ihre obersten Teile überspannten als riesige, gekrümmte Brücken den Cañon.
Sandal deutete verblüfft auf das Monument und fragte: »Kennst du das, Tahonka-No?«
Der Knöcherne bejahte. »Dies ist einer der unzähligen Tempel, die man dem Großen Götzen Y'Xanthymr gebaut hat. Man findet sie überall. Sie sind Tempel und Wohnstätte, Orientierungspunkte und einfach schöne, kunstvolle Dinge.«
Sandal nickte und suchte den Luftraum nach fliegenden Fremden ab. Er sah nichts außer ein paar großen Vögeln, die zu weit entfernt für einen Bogenschuß und als Braten sicherlich nicht gut geeignet waren.
»Was hast du jetzt vor, da wir den Rand der Wälder erreicht haben?« wollte der Knöcherne wissen.
Er blickte Sandal aus blinden Augäpfeln und mit offenem Mund an.
Sandal sagte, ohne zu überlegen: »Zuerst schieße ich uns einen Braten, den wir essen werden, dann legen wir uns in den Schatten und schlafen einen halben Tag; ich bin sehr müde und habe keine Lust, hier ununterbrochen ohne Pferd durch die Gegend zu rennen.«
»Ich glaube, ich verstehe dich nur zur Hälfte«, kommentierte der Knöcherne.
Sandal meinte verständnisvoll: »Das gibt sich mit der Zeit, mein Freund. Zuerst der Braten.«
Wäre der Knöcherne in der Lage gewesen, seine Gesichtszüge zu bewegen, hätte er dies getan. Es wäre in diesem Fall eine Geste des äußersten Abscheus daraus geworden. So aber beschränkte er sich darauf, mißbilligend den Kopf zu schütteln und Sandal zu folgen.
Sandal lief langsam auf den Waldrand zu, hielt sich dicht am Ufer des Flusses und hörte das Brausen, mit dem das Wasser einige hundert Meter weiter südlich im Boden verschwand. Er achtete auf den Wind, daß dieser den Tieren nicht seinen Geruch zutragen würde. Hinter ihm lief Tahonka-No, barfuß, und die Sohlen seiner knöchernen, dünnhäutigen Füße erzeugten auf Sand und Gras klatschende Geräusche.
Tahonka war in eine eng anliegende Kombination gekleidet, die durch die Vielzahl von Taschen auffiel. Quer über seiner breiten, aber flachen Brust spannten sich zwei gekreuzte Gurte, an denen Magazine für seine weitreichende Waffe befestigt waren. Andere Gerätschaften, deren Sinn der junge Krieger nicht erraten konnte, waren an einem breiten Gürtel befestigt, der aussah, als bestünde er aus lauter quadratischen Eisenstücken mit seltsamen Mustern darauf. Der Rücken und die Schultern des Kämpfers waren frei und glänzten jetzt; Schweiß und Sonnenlicht riefen diesen Effekt hervor.
Eine Stunde später sah Sandal die Tiere. Sie sahen aus wie Hirsche von Exota Alpha, aber statt des Gehörns trugen sie vier lange, äußerst gerade Nadeln, die nach vorn, nach beiden Seiten und schräg nach hinten wiesen. Der Angriff eines solchen dolchbewehrten Tieres konnte selbst einen schnellen, mutigen Jäger in Verlegenheit bringen.
»Still!« wisperte Sandal. »Bleib hier. Ich schieße!«
Er hob die Hand, deutete in den Schatten eines dreieckigen Busches und stob geräuschlos davon. Er rannte einen schmalen Tierpfad entlang, verschwand zwischen Riedgräsern und blieb stehen, als die achtköpfige Herde nur noch einhundert Meter entfernt war. Dann legte er einen Pfeil auf, schob vorsichtig die Zweige zur Seite und zielte sorgfältig. Die Sehne des Kompositbogens berührte beinahe die runde, rote Korallenkugel an seinem Ohr.
Dann schmetterte die zurückschnellende Sehne gegen Ästchen, und der Pfeil durchbohrte das Tier. Blattschuß! Das Tier sprang senkrecht in die Luft, die sieben anderen flohen in panischen Sätzen durch das krachende und brechende Geäst, und der starke, junge Bock fiel in das aufklatschende Wasser zurück. Er war tot, als die letzten Tropfen auf die Wasseroberfläche zurückfielen.
»Ich habe es nicht verlernt«, stellte Sandal fest.
Er rannte heran, zog das Tier aus dem Wasser und brach es binnen weniger Minuten weidgerecht auf. Die Innereien bis auf die Leber warf er in den Fluß; die Fische sollten auch etwas haben. Das Fell warf er samt dem Kopf und dem Gehörn über einen dicken Ast und schleppte dann das Tier zurück auf die Fläche zwischen
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