Silberband 059 - Herrscher des Schwarms
Stunden hatte ihn eine Unruhe überfallen, die ihn zu rastloser Arbeit antrieb.
Professor Serenti blickte überrascht auf, als der Virologe schon so früh wieder in den Labortrakt zurückkehrte.
»Sie sind erst vor einer Viertelstunde gegangen«, sagte er. »Sie haben seit acht Stunden ununterbrochen gearbeitet. Glauben Sie nicht auch, daß jetzt einmal eine Pause fällig wäre?«
Dr. Jacobi nickte. »Ich stimme Ihnen völlig zu«, entgegnete er und lächelte. »Jetzt läuft jedoch gerade ein Experiment, das ich nicht vorzeitig abbrechen kann.«
Er ging an dem Chefarzt vorbei in die Schleusenkammer, die vor der hermetisch abgeriegelten virologischen Abteilung errichtet worden war. Hier legte er die Sicherheitskleidung an, stülpte sich einen Helm über den Kopf und zog lange Handschuhe an, bevor er sein Labor aufsuchte. Eilig ging er zu den Glaskästen, in denen sieben Kaninchen in ebenfalls hermetisch abgeriegelten Klimakammern untergebracht worden waren. Jedes Fach hatte eine eigene Sauerstoffversorgung und war von der Außenwelt unabhängig.
Betroffen blieb der Arzt vor den Prüfeinrichtungen stehen.
Fünf von den sieben Kaninchen, die mit verschiedenen Auszügen aus der Plasmamasse geimpft worden waren, lagen reglos auf dem Boden. Die anderen beiden Tiere lebten noch. Sie zeigten keinerlei Veränderungen.
Die verendeten Kaninchen aber hatten sich äußerlich so stark verformt, daß nur noch wenig an ihr früheres Aussehen erinnerte.
Der Virologe vergaß seine ursprüngliche Absicht, eine Ruhepause einzulegen. Er löste eine der Isolierkammern aus ihrer Verankerung und brachte sie zum Untersuchungstisch. Hier konnte er die Seitenwände des Kastens entfernen, als er ihn in einen größeren Behälter gesetzt hatte. Mit Hilfe von absolut reiß- und säurefesten Handschuhen, die in die Seitenwände eingelassen worden waren, konnte er seine Untersuchungen fortführen.
Er trennte einige verformte Stückchen aus dem Körper des Tieres heraus und zerlegte sie in hauchdünne Scheiben, die er dann in verschiedene Schälchen und Gläschen verteilte. Diese setzte er in angeschlossene, vollautomatische und ebenfalls isolierte Untersuchungsgeräte. Dann zog er sich zurück und drückte einige Knöpfe.
Gespannt blickte er auf die Kontrolltafel neben dem Untersuchungstisch. Auf verschiedenen Bildschirmen und Oszillographen erschienen schon Sekunden später die ersten Ergebnisse.
Dr. Jacobi setzte sich auf einen Hocker. Er fühlte, daß ihm übel wurde. Auf den verschiedenen Bildschirmen erschienen die Aufnahmen, die das Elektronenmikroskop in einer Vergrößerung von 1 zu 450.000 hergestellt hatte. Auf allen war die typische Form des Regulationsvirus zu erkennen, zugleich aber waren eindeutige Veränderungen auszumachen. Die kugelförmigen, blasenbesetzten Gebilde hatten teilweise eine eiförmige Gestalt angenommen, hatten spitzkegelförmige Ansätze gebildet oder glichen auf verblüffende Weise einem menschlichen Auge mit einer übergroßen Pupille.
Dr. Jacobi zuckte zusammen, als Dr. Serenti plötzlich aus der Schleusenkammer kam. Auch er trug einen transparenten Helm, der ihn vor einer Infektion schützen sollte.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Dr. Jacobi, als der Chefarzt sich neben ihn gesetzt hatte und die Bildschirme ansah. »Wir haben das Virus erkannt und eindeutig identifiziert. Wir können es isolieren, ohne daß es sich verändert. Wenn es aber in einer nur geringfügig gereinigten Form mit Eiweiß unseres Biokreises in Verbindung kommt, mutiert es.«
Dr. Khomo Serenti erhob sich und sah sich die toten Kaninchen an. Seine Stimme wurde durch den Schutzhelm stark gedämpft und klang sehr dunkel.
»Die beiden Tiere sind ebenfalls mit dem Virus in Berührung gekommen?« fragte er.
Dr. Jacobi nickte. »Ja, aber nur mit der Plasmamasse.«
»Wir mußten damit rechnen, daß es Überraschungen geben würde«, sagte Dr. Serenti. Der Afroterraner blickte den Virologen ernst an. »Ein Virus, das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus unserer Galaxis stammt, kann ganz andere Eigenschaften haben als alle Mikroben, die wir bisher entdeckt haben.«
Die beiden Männer verließen die Isolierkammer und ließen sich in der Schleuse desinfizieren. Erst als ihnen ein grünes Licht anzeigte, daß keine Gefahr bestand, betraten sie das größere Labor, wo sie sich ohne die hinderlichen Schutzhelme unterhalten konnten.
Dr. Serenti zapfte sich etwas Kaffee aus einem Automaten und setzte sich dann auf einen Labortisch,
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