Silberband 060 - Die Cynos
Er setzte sich auf einen Hocker und griff nach mehreren haarfeinen Kabeln. Einige von ihnen schloß er an das Gebilde auf seinem Kopf an. Dabei überraschte ihn eine dunkelhaarige Assistentin, die durch eine offene Tür in das Labor kam.
»Oliver«, rief sie erschreckt. Sie eilte zu ihm. »Sind Sie verrückt geworden? Das dürfen Sie nicht tun.«
»So?« fragte er und blickte spöttisch lächelnd zu ihr auf. »Und warum nicht?«
»Das wissen Sie sehr genau«, entgegnete sie. »Professor Belcant hat alle Experimente ausdrücklich verboten, die nicht unter seiner Kontrolle durchgeführt werden.«
»Jenna, ich habe alles sehr genau überlegt und durchgerechnet«, erwiderte er und befestigte die letzten Kabel. »Jetzt kann nur noch ein Versuch zeigen, ob Belcant recht hat oder nicht.«
»Oliver, Sie überschätzen sich. Sie können sich mit Belcant nicht messen. Niemand außer ihm, Waringer und Hung-Chuin begreift überhaupt, wie seine Vorstellungen zu verwirklichen sind. Sie haben den Verstand verloren Oliver.«
Hansen antwortete nicht. Er beugte sich vor und warf rasch einige Schalthebel herum. Das Gerät summte auf. Der Assistent begann zu schreien. Seine Hände krallten sich in das Netz. Er wollte es sich herunterreißen. Blaue Blitze zuckten zwischen seinen Fingern hervor.
Die Wissenschaftlerin zog die Kabel aus dem elastischen Band heraus und unterbrach auf diese Weise die energetische Verbindung. Oliver Hansen rutschte vom Stuhl und fiel lang auf den Boden. Sie nahm ihm das Netz ab. Jetzt konnte sie sehen, wie stark die Verbrennungen waren, die er davongetragen hatte. Ihr wurde übel. Ihre Hände zitterten, als sie Unfallalarm gab.
Die Gegensätze hätten nicht krasser sein können.
Neben Professor Dr. Dr. Aronus Belcant wirkte Oberst Horato Tamika wie ein Schwerathlet. Dabei war er sogar zehn Zentimeter kleiner als der Wissenschaftler. Er sah jedoch so massig aus, als sei sein Erbgut durch ertrusische Einflüsse verändert worden.
Als er Belcant die Hand schüttelte, schien er es auf eine kleine Kraftprobe anzulegen. Der Forscher lächelte gequält.
»Ich gratuliere Ihnen, Professor«, sagte Tamika. »Und natürlich wünsche ich Ihnen eine ganze Kiste voll Glück für die Zukunft. Ich würde mich jedoch ganz besonders freuen, wenn Ihnen bald der große Durchbruch gelingen würde.«
Der Offizier blickte Belcant in die dunklen, schwermütigen Augen und lächelte breit. Er war davon überzeugt, genau den richtigen Glückwunsch gewählt zu haben. Der Wissenschaftler sah jedoch nicht sehr froh aus.
»Danke«, entgegnete er. »Ich bin überzeugt, daß Sie es aufrichtig meinen.«
Er hatte den verborgenen Sinn der Worte nicht überhört. Sicherlich hatte Oberst Tamika ihn nicht provozieren wollen, dennoch hatte er zum Ausdruck gebracht, daß er in seinen Augen immer noch zur zweiten Garnitur gehörte. Er stand nach wie vor im Schatten von Professor Dr. Mart Hung-Chuin, mit dem er seit dessen Ankunft auf der Hundertsonnenwelt engstens zusammenarbeitete.
»Wir alle sind fest davon überzeugt, daß es jetzt nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das Gravokonstante-Intelligenzkorrektur-Netz einsatzbereit ist«, fügte Oberst Horato Tamika hinzu.
»Wir haben entscheidende Fortschritte gemacht«, wich der Wissenschaftler aus. »Hung-Chuin ist sicher, daß wir es in einigen Tagen geschafft haben können. Nun – das wird sich zeigen.«
Er lächelte unmerklich und führte seinen Gast zur Bar und reichte ihm einen Cocktail. Sie stießen miteinander an und tranken auf den achtzigsten Geburtstag des Hyperdimregulators und Kosmobiologen. Oberst Tamika beobachtete den Chefassistenten von Professor Hung-Chuin, als dieser mit erhobenem Glas auf einige Offiziere zuging und sie begrüßte.
Er fühlte sich unbehaglich in der Nähe Belcants. Er spürte, wie sehr dieser Mann vor Ehrgeiz brannte und fieberhaft nach einer Chance suchte, mit einem Schlag galaxisweiten Ruhm zu gewinnen. Belcant galt als unermüdlicher Arbeiter, der unerschütterlich zu Hung-Chuin stand, obwohl er sich lieber heute als morgen aus dessen Schatten gelöst hätte. In den letzten zwei Wochen war er jedoch kaum in Erscheinung getreten. Gesundheitliche Schwierigkeiten hatten ihn von den praktischen Forschungsarbeiten ausgeschlossen, die dem ›Anti-Verdummungsgerät‹ galten. Tamika kannte den Wissenschaftler sehr gut. Er wäre deshalb nicht überrascht gewesen, wenn dieser ihm eröffnet hätte, daß er entscheidende Teile des Problems durch
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