Silberband 062 - Götzendämmerung
zur Transmitterhalle standen zwei Angestellte, die Demidegeve nicht kannten. Sie wollten ihn nicht durchlassen.
»Bleiben Sie draußen«, sagten sie. »Hier gibt es nichts zu sehen.«
Demidegeve erblickte Lester Anderson, den Leiter des Instituts, und winkte ihm.
Anderson kam heran und sagte zu den Angestellten. »Das ist Professor Demidegeve. Er ist für einige Zeit Gastdozent bei uns. Merken Sie sich sein Gesicht, er hat überallhin Zugang.«
Sie ließen ihn passieren. Vaila und Orchez drängten sich in seinem Fahrwasser ebenfalls in die Transmitterhalle.
»Was hat Sie auf den Plan gerufen, Lester?« erkundigte sich Demidegeve bei dem weißhaarigen Ezialisten, der um gute dreißig Jahre älter war als er selbst.
Sie kannten sich von Umtar her, wo Lester Anderson im Ezialistischen Institut von Maragod unterrichtet hatte, bevor er als Rektor nach Lima abberufen worden war. Demidegeve war damals sein Lieblingsschüler gewesen und hatte unter ihm sämtliche Prüfungen mit Auszeichnung bestanden. Zwischen ihnen herrschte ein Vater-Sohn-Verhältnis, in dem für den nüchternen und distanzierten Demidestapha allerdings kein Platz war.
Anderson hatte Demidegeve bei der Entwicklung des 5-D-Teleskops tatkräftig unterstützt. Er war es auch, der die Anregung dafür gegeben hatte. Er hatte Demidegeve vorgeschlagen, sich für seine Doktorarbeit zu überlegen, wie man das Prinzip der hyperschnellen Ortung im Dienst der Wissenschaft anwenden könnte. Da sein Zwillingsbruder sich der Astronomie verschrieben hatte, lag es für ihn nahe, das Prinzip der Hyperortung für die Entwicklung eines 5-D-Teleskops anzuwenden. Demidegeve hatte den Prototyp kaum fertiggestellt, als die Verdummung über die Galaxis kam. So geschah es, daß Demidestapha das 5-D-Teleskop erst jetzt nach der Aufnahme des Solsystems in den Schwarm zum Einsatz bringen konnte.
»Warum ich hier bin?« fragte Anderson. Er deutete auf zwei Männer in Ärztekitteln, die zusammen mit vier Medo-Robotern vor einer Antigrav-Trage standen. Sie waren von einer Energiekuppel eingehüllt und nahmen offensichtlich gerade eine Operation vor.
Anderson fuhr fort: »Die Schockwelle hat den Transmitterverkehr gestört. Wir hatten unser Gerät auf Empfang geschaltet, weil wir vier Schüler von einer Exkursion zu NATHAN zurückerwarteten. Es gab einen Unfall.«
Demidegeve umrundete die Energieglocke, bis er auf der anderen Seite stand und freie Sicht auf die Trage hatte. Vaila, die ihm ahnungslos gefolgt war, schrie entsetzt und wandte sich abrupt ab, als sie sah, was auf der Trage lag.
Eigentlich waren es zwei Tragen, die man zusammengeschoben hatte. Darauf lag ein unförmiger Klumpen, aus dem Arme und Beine ragten, in dem Augen zuckten und Organe pulsierten.
»Die vier Studenten waren gerade im Begriff, zu rematerialisieren, als die Hyperschockwelle einschlug«, sagte Anderson neben Demidegeve mit leiser Stimme. »Die Wiederverstofflichung wurde durch die hyperenergetische Fremdenergie gestört, die Atome fanden sich nicht nach dem Muster der vier Matrizen zusammen. Was vier Menschen hätten werden sollen, wurde in willkürlicher Formation zu einer Einheit zusammengedrängt.«
Demidegeve schwieg. Er beobachtete die Bemühungen der beiden Ärzte und der Medo-Roboter.
Sie hatten mit dem Vibratorskalpell einige wild wuchernde Gewebeklumpen abgetrennt. Zwei davon sahen aus wie deformierte Gehirnmasse. Sie legten Venen und Arterien frei und schlossen sie an einen künstlichen Blutkreislauf an. In die zuckenden Arme und Beine, die noch mit Stoffetzen behangen waren, injizierten sie Narkotika, bis sich die Glieder beruhigt hatten.
Vier der Augen schlossen sich. Daraufhin nähten die Ärzte einige klaffende Wunden zu und schlossen sie mit Biomolplast. Die freiliegenden Organe bedeckten sie ebenfalls mit künstlich durchblutetem Biomolplast.
Endlich waren sie mit den vorbereitenden und vorbeugenden Arbeiten fertig. Sie hüllten das monströse Wesen aus vier Individuen in einen Schutzschirm und ließen die große Energieglocke in sich zusammenfallen.
Während die Medo-Roboter mit den beiden Antigrav-Tragen die Transmitterhalle verließen, wandten sich die beiden Ärzte dem Rektor zu und nahmen den Atemschutz ab.
»Werden sie durchkommen?« erkundigte sich Anderson.
Der eine Arzt zögerte. »Schwer zu sagen, ob es alle vier schaffen. Zwei von ihnen werden wir bestimmt wieder so herrichten, daß sie sich unter Menschen sehen lassen können. Das heißt, wenn die Organe so lange
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