Silberband 063 - Das Tabora
vermischten sich mit den harten Rhythmen von anderen Trommeln. Die Menge richtete sich auf. Eine Gasse bildete sich. Durch sie hindurch schritt eine Person in buntem, besticktem Umhang, gelbbraunem Turban, Sandalen an den Füßen und einer Art Stab in der Hand.
Als sie die breite Treppe der Stufenpyramide erreichte, hob die Person den Stab an die Lippen. Eine Folge von Flötentönen erklang, während die Person langsam die Treppe heraufkam.
»Eigenartig«, flüsterte der Albino, »ich kann meine parapsychischen Kräfte nicht anwenden. Diese Welt hat etwas Unwirkliches an sich. Sie scheint nirgendwo zu sein.«
Ich blickte zum Himmel empor. Er sah tatsächlich ganz anders aus als alle mir bekannten Himmel von Planeten mit Sauerstoffatmosphäre. Zwar gab es vereinzelte Wolken, und die gelbe Sonne leuchtete dicht über dem Horizont, aber die Farbe des Himmels war wie die von poliertem Silber.
Die Person mit der Flöte verharrte drei Stufen unter uns und spielte voller Hingebung weiter. Ich sah, daß das Gesicht des Eingeborenen breit und knochig war, mit kurzer plumper Nase, leicht aufgeworfenen Lippen und rundem Kinn. Die Hautfarbe war gelbrot.
Ich musterte die aus dunklem Holz geschnitzte Flöte. Sie hatte vier Grifflöcher, ein hochgebogenes Mundstück und wurde vorn durch einen großen steinernen Vogelkopf geziert.
»Bitte, kommen Sie doch herauf, Herr Flötist!« sagte ich auf interkarties in der Hoffnung, daß die Eingeborenen dieser Nirgendwo-Welt die Verkehrssprache des Schwarms beherrschten.
»Sie Tölpel!« raunte der Commander mir erbost zu. »So begrüßt man doch keinen Stammeshäuptling.«
»Selber Tölpel!« entgegnete ich zornig und etwas lauter als Dalaimoc Rorvic.
Der Flötist brach sein Spiel ab und blickte uns aus kohlschwarzen Augen an.
Rorvic lächelte übertrieben freundlich, faltete die Hände vor dem Kugelbauch und sagte: »Ich begrüße dich, mein Sohn! Wie heißt dieser Planet?«
Auch er hatte Interkarties gesprochen, und der Flötenspieler antwortete in der gleichen Sprache: »Willkommen auf Gosh, großer fetter Gott und kleiner dürrer Gott! Das hier …«, er machte eine alles umfassende Handbewegung, »… ist Gosh.«
»Und wie heißt die Sonne dort?« forschte Dalaimoc Rorvic weiter. Er deutete auf die gelbe Sonne.
Der Eingeborene malte imaginäre Symbole in die Luft. »Das Auge Firdovs. Und wie heißt du, großer fetter Gott des Wohlstands?«
Rorvic öffnete den Mund, um zu antworten. Doch ein neuer Niesanfall hinderte ihn daran. Der Eingeborene ertrug den Sprühregen mit stoischer Fassung.
»Er heißt Nasarov«, erklärte ich. »Und ich heiße Tatcher a Hainu.«
»Der Kerl lügt!« schrie Rorvic. »Ich heiße nicht Nasarov, sondern Dalaimoc Rorvic!«
»Der Name Nasarov paßt aber viel besser zu Ihnen, Sir«, entgegnete ich lächelnd.
Der Flötenspieler musterte uns scharf. Plötzlich holte er tief Luft, drehte sich um und rief der Menge unten zu: »Es sind die falschen Götter! Heppen Shemir hat uns betrogen. Ergreift sie und bringt sie ins Opferhaus!«
Brüllend und kreischend stürmten die Menschenmassen die breite Freitreppe. Gleich einer Sturmflut wogten sie empor.
Der Flötenspieler zog einen Feuersteindolch und stürzte sich auf Rorvic. Ich sprang ihm von hinten auf das Fersenbein, und er brach schreiend zusammen. Der Feuersteindolch glitt wirkungslos an Rorvics Raumanzug ab.
»Danke, Tatcher!« sagte der Commander freundlich.
Ich winkte ab. »Es handelte sich um eine impulsive, ungeplante Handlung, Sir.«
Der Tibeter grinste. »Wir wollen angesichts des nahen Todes nicht nachtragend sein, Tatcher. Werfen Sie Ihren Strahler fort, damit Sie nicht in Versuchung kommen, auf die Eingeborenen zu schießen!«
Der Flötenspieler wollte aufspringen, stürzte aber schreiend zurück, als er sein geprelltes Fersenbein belastete. Er rollte sich herum und biß Rorvic in die Wade.
»Laß das!« befahl der fette Albino. »Du bist doch kein Hund!«
»Wir sollten in den Tempel zurückgehen, Sir«, sagte ich. »Vielleicht können wir mit Hilfe des Transmitters fliehen.«
»Warum?« gab Rorvic zurück. Er schlenkerte sein Bein, und der Flötenspieler wurde abgeschüttelt.
»Weil ich nicht sterben will!« schrie ich und deutete auf die Menge, die schon ganz nah war.
Die Gesichter der Eingeborenen waren verzerrt. Ich sah Speere, kleine runde Schilde und reich verzierte Streitäxte blinken. Nein, ich war nicht gewillt, mich abschlachten zu lassen!
»Machen Sie, was Sie
Weitere Kostenlose Bücher