Silberband 068 - Anti-Universum
Korridor.
»Diesmal sind es zwei!« sagte der Telepath.
Diese Bemerkung war nichtssagend für Tschubai, aber er vermutete, daß sie mit dem Spiel zusammenhing. Im Originalkontinuum hatten die Mutanten oft miteinander Karten oder Schach gespielt – warum sollte es hier anders sein?
Lloyd öffnete die Tür zum Aufenthaltsraum. Balton Wyt und Lord Zwiebus waren bereits eingetroffen. Sie standen an einem Tisch, der offenbar erst aufgestellt worden war, denn bei seinem ersten Besuch im Aufenthaltsraum hatte Ras ihn nicht gesehen.
Über den Tisch war ein zwanzig Zentimeter hoher Glasdeckel gestülpt worden. Als Ras näher trat, sah er den Grund dafür. Unter dem Glas rannten zweiundzwanzig Siganesen in Sportkleidung über die künstlichen Grasmatten, die auf dem Tisch lagen. Weiße Linien markierten ein Mini-Fußballfeld.
»Es hat gerade begonnen«, erläuterte Balton Wyt. »Wir müssen ihnen tüchtig einheizen.«
Zu seinem Entsetzen sah Tschubai, daß winzige Schockpeitschen in den Glasdeckel eingelassen waren. Sie konnten von außen bedient werden. Wer von den Gefangenen nicht so spielte, wie die Zuschauer es erwarteten, wurde mit einer Schockpeitsche gegeißelt. Ras mußte sich mit innerlichem Grauen abwenden.
»Was ist los mit Ihnen?« erkundigte sich Lloyd ärgerlich. »Ich hatte vor, mit Ihnen zusammen die rote Partei gegen die beiden anderen zu spielen.«
Die Übelkeit, die in ihm hochstieg, ließ Ras nach Luft ringen. Er hatte das Gefühl, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben.
Zwiebus und Wyt standen mit glänzenden Augen über den Tisch gebeugt und dirigierten ihre elf Spieler.
»Ich fühle mich nicht wohl!« entschuldigte sich Ras. »Spielen Sie inzwischen allein weiter, Fellmer. Ich komme vielleicht später und mache mit. Diese beiden schlagen Sie auch ohne mich.«
Lloyd grinste; zum Glück für Ras war seine Spielleidenschaft größer als sein Interesse für Tschubais seltsames Verhalten.
Ras verließ den Raum. Draußen mußte er sich gegen die Tür lehnen. Seine Beine zitterten. Er fühlte sich schwach.
Er wußte, daß er sich nicht getäuscht hatte. Die kleinen Wesen, die über den Tisch gerannt waren, konnten nur Siganesen sein. Wahrscheinlich wurden sie zu diesem Zweck gefangengehalten.
Tschubai richtete sich auf. Wenn er überhaupt Skrupel besessen hatte, gegen Rhodan II vorzugehen, so waren sie jetzt nicht mehr vorhanden. Die Menschen in Imperium-Alpha waren moralisch zerrüttet, sie kannten weder Humanität noch Rücksichtnahme. Jeder Nichtterraner wurde von ihnen wie ein Tier behandelt.
Was für eine Welt! dachte Tschubai, der bereits geglaubt hatte, sich mit den Gegebenheiten abfinden zu können. Wahrscheinlich war es außerhalb von Imperium-Alpha noch schlimmer. Und diese Wesen, die sich Terraner nannten, beherrschten fast die gesamte Galaxis!
Tschubai verließ die Mutantenunterkünfte. Sein Zorn war so groß, daß er fast alle Vorsicht vergaß. Er blickte sich um und stellte fest, daß er allein im Korridor war. Sofort teleportierte er in eine andere Ebene von Imperium-Alpha. Er kam in den Unterkünften der SolAb heraus. Als Ziel hatte er ein Bad gewählt, das er vom Originalkontinuum her kannte. Es war verlassen.
Tschubai lauschte. Von irgendwoher kam leise Musik. Das war das einzige Geräusch. Ras wunderte sich, daß diese Menschen überhaupt Musik hörten. Die Melodie klang aggressiv, wahrscheinlich war es irgendein Kriegslied.
Tschubai trug seinen Paralysator und seinen Thermostrahler bei sich. Er würde beide Waffen einsetzen, wenn es sich als notwendig erweisen sollte. Doch als er das Bad verließ, gelangte er in einen verlassenen Korridor. Er vermutete, daß sich nur wenige SolAb-Agenten hier aufhielten. Die meisten machten sicher Jagd auf die MARCO POLO.
Vor einer Wohnraumtür blieb Tschubai stehen und lauschte. Alles blieb still. Tschubai teleportierte in das Zimmer und riß den Paralysator heraus. Aber da war niemand. Er durchsuchte das Zimmer, fand aber nichts. Er teleportierte in den nächsten Raum. Auf dem Bett lag ein vollschlanker Mann und schlief. Sein Mund war halb geöffnet, ab und zu gab der Schlafende ein gurgelndes Geräusch von sich. Lautlos huschte Tschubai durch den Raum.
Er nahm die Jacke des Mannes von der Stuhllehne und sah darunter den Waffengürtel hängen. Doch nur ein Strahler steckte im Futteral, die Taschen waren leer.
Enttäuscht sah Ras sich um. In den Schränken brauchte er erst gar nicht nachzusehen.
Jemand klopfte an die Tür.
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