Silberband 069 - Die Hyperseuche
Nestern rechnen, in denen es besonders widerstandsfähige Menschen gibt.«
Die Raumjacht änderte abermals ihre Richtung und schwebte auf den Planeten Neptun zu, den achten des Systems, von der Sonne aus gezählt. Und auch dort ›drüben‹, an anderer Stelle der Umlaufbahnen, würden die Verhältnisse denen gleichen, die er hier vorgefunden hatte. Ein Planetenvolk lag in den letzten Todeskämpfen.
Die Sonne auf dem normaloptischen Schirm des Raumschiffs war ein heller Stern geworden, der die viertausendfache Leuchtkraft des Vollmondes aufwies; nicht mehr.
Dreißig Astronomische Einheiten bis zur Sonne. Neunundzwanzig bis zum Zentralplaneten dieses Sonnensystems, bis nach Terra, der ebenfalls sterbenden Erde.
Die erste, generelle Überprüfung ergab keinerlei Echo auf den unsichtbaren Bildschirmen der Abstrakt-Ortung. Wie er mit größter Sicherheit erwartet hatte, befand sich der todgeweihte Wissende auch nicht hier im kleinen System des Neptun. Die Automatik spiegelte ein Bild aus einer Station herein, die auf dem nördlichen Pol von Nereide stand beziehungsweise verankert war.
Ein kleiner Raum, offensichtlich ein Wohnraum eines Forschers oder Technikers. Auf seine Inneneinrichtung war viel Arbeit verwendet worden, und die großen Bildschirme, wie Fenster angeordnet, zeigten drei verschiedene Ansichten von Gegenden der Erde. Ein Mann von etwa vierzig Jahren saß in einem hochlehnigen Sessel, und auf einer breiten Liege hatte sich eine ausnehmend gut aussehende junge Frau ausgestreckt.
Anti-Homunk korrigierte seinen ersten Eindruck, als das Bild vergrößert wurde. »Sie mag vor Monaten oder noch vor Wochen gut ausgesehen haben – jetzt indessen nicht mehr.«
Das Schiff setzte hinzu: »Ein Zustand, der durch den allmählichen Verfall sämtlicher Lebensenergien herbeigeführt worden ist.«
»Ich weiß es. Ich kenne sämtliche Daten, aber nur in der Theorie. Das ist Anschauungsunterricht.«
Der Mann blickte unausgesetzt die junge Frau an. »Sie darf nicht sterben!« flüsterte er. Offensichtlich handelte es sich um ein Paar. Der Mann gehörte zu jenen Unglücklichen, die von Zeit zu Zeit durch stärkste Konzentration innerhalb ihres persönlichen Lebensbereiches noch handlungsfähig waren. Die Frau litt offensichtlich bereits unter den Halluzinationen, aber die Störungen waren weniger deutlich und schwer wie bei dem vor wenigen Minuten beobachteten jungen Mann. Sie warf sich hin und her, und ihr Kopf flog von einer Seite zur anderen.
Der Mann schloß die Augen und schien sich mit Hilfe seiner Gedanken zu einer Aktion aufzuraffen. Er umklammerte die Sessellehnen und wuchtete sich hoch, dann ging er schwankend in einen angrenzenden Raum. Er warf dort ein paar weiße, runde Tabletten in ein großes Glas und goß Wasser darüber. Mit dem Glas, dessen Inhalt schäumte und sich mehrmals verfärbte, kam er zurück in den Raum, der in ein mildes Licht getaucht war.
»Liebling!« flüsterte er, etwas lauter als zuvor.
Die Frau öffnete nach einer Weile die Augen. Ihr Kopf kam zur Ruhe, aber ihr Körper bebte noch immer. Sie sah ihn an, dann verzerrte sich ihr Gesicht. Sie schrie gellend auf. Der Schrei schien die Nerven des Mannes übermäßig zu belasten.
»Liebling! Ich bin es! Keine Spukgestalt aus deinem Alptraum«, sagte er mit mühsam beruhigender Stimme.
Die Frau sah ihn aus großen, fiebrigen Augen an. Er setzte sich neben sie auf die Liege und hob ihren Kopf vorsichtig an. Sie schüttelte ihn. »Nein!«
»Du mußt trinken!« sagte er eindringlich. »Das ist das einzige Mittel, damit du weiterleben kannst. Bitte, trink! Deine Stirn ist ganz heiß. Du darfst das Essen nicht verweigern.«
Sie murmelte undeutlich, als sei sie aus einer tiefen Ohnmacht aufgewacht: »Ich kann nichts essen. Alles tut weh, alles ist heiß und kalt , Davee!«
Er hob den Becher an ihre Lippen und sagte: »Du kannst trinken. Hier sind genügend Nährstoffe drin. Du mußt trinken! Dann wirst du schlafen, und die Gestalten kommen nicht wieder.«
Sie gehorchte widerwillig, aber schon während sie in kleinen Schlucken trank, wobei ein Teil der Flüssigkeit aus ihren Mundwinkeln über ihren Hals lief, schlossen sich ihre Augen wieder. Sie trank den Becher leer. Als der Mann sie zurückgleiten ließ und mit einem Tuch ihr Gesicht zu säubern versuchte, schlief sie bereits. Vielleicht verlängerte diese Sorge des Mannes ihr Leben um ein paar Tage, aber das Ende war auch nicht mit konzentrierten Nahrungsmitteln aufzuhalten. Es
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