Silberband 075 - Die Laren
Umrisse von Gegenständen und Wänden.
Hetely wußte, daß das auf den sogenannten Underspeed-Effekt zurückzuführen war, der immer dann auftreten konnte, wenn ein Raumschiff mit Geschwindigkeitswerten, die weit unter der zulässigen Grenze lagen, in den Linearraum eintauchte. Im schlimmsten Fall konnten Teile der Schiffsmaterie sich auflösen und in den Normalraum zurückstürzen. Es waren auf diese Weise schon ganze Raumschiffe mit ihren Besatzungen verlorengegangen.
Als Hetely bemerkte, daß immer mehr Gegenstände nur noch verzerrt zu sehen waren, fürchtete er schon, die CONOR könnte ein ähnliches Schicksal erleiden, doch nach einiger Zeit stabilisierte sich alles wieder.
»Sie können in die Zentrale kommen«, sagte der Kommandant über die Rundrufanlage. »Der Linearflug hat sich stabilisiert.«
Hetely und Maytusz schnallten sich los und begaben sich in die Kommandozentrale des Schweren Kreuzers.
Als sie eintraten, wandte sich Major Gulbrand Toorna nach ihnen um und sagte: »Leider dürfen wir höchstens noch zehn Minuten im Zwischenraum bleiben, meine Herren. Der Waring-Konverter muß gründlich überprüft werden. Ich fürchte, er hat stärker unter dem Underspeed-Übergang gelitten, als ich zuerst annahm.«
Mang Hetely nickte mit ernstem Gesicht. Er wußte, was es für ein Raumschiff bedeuten konnte, wenn es mitten im Leerraum, viele Milchstraßendurchmesser von der heimatlichen Galaxis entfernt, einen Linearantriebversager hatte. Befand es sich in der Nähe oft benutzter Orientierungspunkte, konnte es innerhalb weniger Wochen oder Monate mit Hilfe rechnen. Befand es sich dagegen außerhalb aller normalen Raumschiffsrouten wie die CONOR, mußte die Besatzung damit rechnen, nie wieder einen Planeten zu sehen. Kein Hyperkomsender an Bord eines Schiffes war stark genug, Funksprüche bis in die Galaxis zu senden. Notrufe konnten höchstens durch Zufall von einem anderen Raumschiff aufgefangen werden, wenn es innerhalb der Senderreichweite ein Orientierungsmanöver durchführte.
»Captain Maytusz und ich werden gemeinsam einen Funkspruch aufsetzen und kodieren, Major«, verkündete er. »Alles andere …« Er zuckte vielsagend mit den Schultern.
15.
Staatsmarschall Reginald Bull blickte auf, als eine feminine Stimme sagte: »Schätzchen, gib Küßchen!«
»Ich bin kein Schätzchen«, stellte er mit gespielter Würde klar, »sondern Staatsmarschall des Solaren Imperiums, du loser Vogel!«
Er drohte dem Sybill, der mit gesträubten Nackenfedern auf dem Ast eines exotischen Zwergbaumes hockte, mit dem Zeigefinger. Josefine, wie er das Tier genannt hatte, sah aus wie eine Kreuzung von Papagei und Seidenäffchen, das heißt, er hatte ein seidig glänzendes, langhaariges Fell, einen runden Schädel mit kleinem Affengesicht und eine Nackenhaube aus Federn. Auch die Flügel waren gefiedert und schillerten in allen Farben des Spektrums.
Josefine tänzelte auf ihren Affenfüßen auf dem Ast hin und her, streckte die lange, ovale Zunge heraus und schnalzte. Dann fragte sie: »Darf ich etwas zu fressen haben, Sir?«
Bully seufzte, stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und betrachtete den Futternapf, der am Baum befestigt war. Er war leer. Deshalb ging der Staatsmarschall zum Versorgungsautomaten, tastete eine Spezialfuttermischung, die der Versorgungszentrale bekannt war, und schüttete den Inhalt des kurz darauf ankommenden Plastikbeutels in Josefines Näpfchen.
»Da, du Vielfraß!« sagte er. »Du machst mich noch arm. Vor allem aber hältst du mich von der Arbeit ab.«
Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, schob eine Speicherspule ins Lesegerät und studierte den Bericht der Solaren Abwehr über Aktivitäten von Hetos-Inspektoren auf dem solaren Merkur. Anschließend stellte er eine Visiphonverbindung zu Hotrenor-Taak her. »Ich möchte Sie bitten, Ihre Hetos-Inspektoren von Merkur zurückzurufen«, verlangte er. »Diese Leute sind nicht fähig, die auf dem ersten Planeten laufenden Forschungsaufgaben zu überschauen, und werden Ihnen deshalb stets Berichte liefern, die Sie irreführen.«
Der Lare auf dem Bildschirm lächelte eigentümlich. »Ich danke Ihnen, Staatsmarschall Bull«, sagte er. »Selbstverständlich werde ich Ihren Rat befolgen. Darf ich Sie zu einer kleinen Feier einladen, die heute abend auf meinem Flaggschiff stattfindet?«
»Aus welchem Anlaß?« erkundigte sich Bully.
»Heute ist der Tag der Schwarzen Inkabra«, antwortete Hotrenor-Taak.
»Dann darf ich ja nicht
Weitere Kostenlose Bücher