Silberband 076 - Raumschiff Erde
verfügen dürften. Vielleicht gibt es einen speziellen hyperphysikalischen Weg, das Solsystem auch ohne temporale Vorausberechnungen zu finden. Als Verantwortlicher für die solare Menschheit darf ich solche Möglichkeiten nicht ausschließen, auch wenn wir sie uns nicht konkret vorstellen können.«
Reginald Bull trank seinen Kaffee aus, warf den leeren Becher zielsicher in die Schachtöffnung des Abfallvernichters und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Das sehe ich ein«, meinte er. »Aber aus unserer Sonne einen Fluchttransmitter für die Bevölkerung des Solsystems machen zu wollen, eine derart gigantische Aufgabe kannst auch nur du dir ausdenken.« Er hieb mit der flachen Hand auf die Seitenlehne seines Sessels. »Mann!« sagte er inbrünstig.
Julian Tifflor lächelte weise. »Die Aufgabe ist gar nicht so gigantisch, da wir über sehr detaillierte Unterlagen der lemurischen Sonnentransmittertechnik verfügen, Bully«, sagte er. »Aus ihrer Hinterlassenschaft wissen wir, daß mindestens zwei Sonnen erforderlich sind, um einen Sonnentransmitter zu errichten. Solch ein Duo-Transmitter ist praktisch die simpelste aller möglichen Konstruktionen.«
Bully lachte auf. »Die simpelste Konstruktion, wie?« rief er aus. »Tiff, ich bewundere deine Fähigkeit, ungeheuer komplizierte Probleme herunterzuspielen. Wenn man dir zuhört, könnte man annehmen, dir fiele es nicht schwer, aus einer Bratpfanne und einer Taschenlampe ein Lineartriebwerk zu basteln.«
»Blödsinn!« entgegnete Tifflor trocken. »Dazu brauchte ich zusätzlich mindestens einen Satz Steuerchips und eine Haarnadel.«
Bullys Augen wurden rund. »Eine Haarnadel auch noch?« erkundigte er sich unschuldig. »Was willst du denn mit der anfangen, Tiff?«
»Was macht man schon mit einer Haarnadel!« meinte Tifflor. »Ich brauche sie, um mir damit die Stirnlocke festzustecken, sonst fällt sie mir während der Arbeit immer vor die Augen.«
Ich hatte eigentlich ernst bleiben wollen, doch es gelang mir nicht. Ich lachte ebenfalls laut auf.
Bully blickte mich mit gespielter Empörung an. »Ich begreife nicht, wie du lachen kannst, wenn zwei hochstehende Persönlichkeiten des Solaren Imperiums über ein verzwicktes technisches Problem sprechen, Perry!« sagte er.
Das war der letzte Anstoß für Julian Tifflor. Er lachte so, daß er einen Teil seines Kaffees verschüttete. Da fiel auch Bull in das Gelächter ein. Aber wir wurden bald wieder ernst. Keiner von uns konnte länger als für wenige Augenblicke die gefährliche und komplizierte Lage vergessen, in der sich die solare Menschheit befand – und nicht nur die solare Menschheit.
Während das Solsystem sich durch seinen Tanz in der Zeit dem Zugriff der Laren entzogen hatte, waren die übrigen von intelligenten Lebewesen bewohnten Welten der Milchstraße wehrlos den Machenschaften des Mannes ausgeliefert, den die Laren zu meinem Nachfolger im Amt des Ersten Hetrans der Milchstraße bestimmt hatten. Immerhin gehörten über tausend besiedelte Sonnensysteme zum Solaren Imperium. Damit trug ich als gewählter Großadministrator weiterhin die volle Verantwortung für das Schicksal der dort lebenden Menschen. Es war meine Pflicht, auf die Befreiung dieser Menschen von der Bevormundung durch die Laren und Leticron hinzuarbeiten – und das Solsystem genoß nur deshalb Vorrang, weil es erstens die Kernzelle des Solaren Imperiums darstellte und zweitens als einziges Sonnensystem auf der Abschußliste stand.
»Ich bin fest entschlossen«, sagte ich, »der solaren Menschheit einen Fluchtweg zu verschaffen – für den Fall, daß es den Laren doch gelingen sollte, uns in der Zeit zu finden und ernsthaft in Schwierigkeiten zu bringen. Dazu kommt uns der Weiße Zwerg mit dem Namen Kobold wie gerufen. Er hat einen Durchmesser von nur 188,67 Kilometern …«
»… was ihn zu einem Sonderfall macht«, warf Tifflor ein.
Ich nickte. »Gewiß. Es ist der erste derartig winzige Weiße Zwerg, der bisher entdeckt wurde. Aber für uns ist diese Tatsache ein Vorteil, denn dadurch läßt er sich leichter von Traktorstrahlen bewegen. Auch seine Masse, die an die der Erde herankommt, ist für Weiße Zwerge einmalig gering. Dennoch wurde festgestellt, daß dieser Unterzwerg annähernd die gleiche Qualität fünfdimensionaler Strahlung abgibt wie unsere Sonne Sol. Dadurch eignet er sich überhaupt erst zum Transmitterpartner der Sonne, denn normalerweise benötigt man zur Errichtung eines Duo-Sonnentransmitters
Weitere Kostenlose Bücher