Silberband 077 - Im Mahlstrom der Sterne
starken gravitationellen Felder unsere Messgeräte.«
»Und was schließen Sie daraus?«, fragte ein anderer der Wissenschaftler.
»Vorerst noch nichts, aber wenn Sie wollen, kann ich eine Vermutung äußern.«
»Äußern Sie, wenn ich bitten darf«, sagte Goshmo-Khan von der Tür her. Er war unbemerkt eingetreten und hatte der Diskussion gelauscht. »Jede Theorie kann uns weiterhelfen.«
Einige Sekunden lang herrschte Ruhe. Jeder erkannte Goshmo-Khan als engen Mitarbeiter von Professor Waringer.
Endlich fuhr der Astrophysiker fort: »Es ist in der Tat eine unwirklich erscheinende Theorie, aber ich meine, sie hat einiges für sich. Das Gebiet, in dem wir uns befinden, liegt im Einflussbereich der Gravitationsfelder zweier Galaxien. Die größere Dichte der Atome deutet darauf hin, dass Materie zwischen den Galaxien hin und her wandert. Wir halten uns praktisch in einem seichten Ozean auf, der durch Ebbe und Flut niemals zur Ruhe kommen kann. Sand und Schlick werden aufgewirbelt – eben unsere messbaren Atome – und mal nach dieser, mal nach jener Richtung getrieben. Ein Mahlstrom, wenn Sie so wollen. Ein gravitationeller und energetischer Mahlstrom. Kein schöner Gedanke, finde ich.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Goshmo-Khan und kam nach vorn zum Podium. Es war offensichtlich, dass er zum Thema Stellung nehmen wollte. Der junge Wissenschaftler machte ihm bereitwillig Platz. »Aber lassen wir das jetzt. Die physikalischen Verhältnisse und ihre Ursachen haben Zeit bis später. Uns geht es darum, die uns am nächsten stehende Sonne zu erreichen und ihre Gegebenheiten zu erforschen. Die Entfernungsmessungen schwanken zwischen zwei und zwanzig Lichtjahren. Es scheint unmöglich, genaue Daten zu erhalten – der Grund dafür ist noch unbekannt. Wir werden einige Sekunden im Linearflug verbringen und dann versuchen festzustellen, welche Strecke wir zurücklegten. Wir müssen uns damit abfinden, meine Herren, dass wir ungewöhnlichen Umweltverhältnissen gegenüberstehen. Die Erde ist im Universum gestrandet, und wir können nur hoffen, dass sie nicht auch in der Zeit gestrandet ist.«
»Aber wir haben Ruhe vor den Laren«, warf jemand ein.
Goshmo-Khan sah in die Richtung des Sprechers. »Sie haben Recht. Vielen von uns wären aber die Laren lieber als diese Ungewissheit. Aber wir werden auch damit fertig werden. Also, wir fliegen den nächsten Stern an und versuchen, ihn zu identifizieren. Das dürfte schwer fallen, denn wir kennen ihn auf keinen Fall. Er befindet sich nicht in unserer Milchstraße. Also können wir nur den Typ bestimmen und daraus vielleicht einige Schlüsse auf unsere Position ziehen. Wir wissen, dass Sterne älter sind, je weiter sie sich vom angenommenen Zentrum des Universums befinden. Die ehemalige Position unseres Sonnensystems kennen wir, auch das ungefähre Alter. Es ist also logisch, dass wir mit den Daten eines Sterns in diesem Gebiet auch in etwa bestimmen können, wie weit die Erde transportiert wurde. Nur – die Richtung werden wir leider nicht bestimmen können.«
»Und wie können wir die Zeit bestimmen?«, fragte eine Physikerin in der vorderen Reihe. »Sie haben selbst angedeutet, dass eine gewisse Zeitverschiebung stattgefunden haben könnte.«
»Die lässt sich nicht feststellen, da uns jede Relation fehlt. Es spielt keine Rolle – so betrachtet –, ob wir eine Million Jahre in die Zukunft oder Vergangenheit geschleudert wurden. Wenigstens spielt es hier und jetzt keine Rolle. Es spielt nur dann eine Rolle, wenn wir einmal zu Sol zurückkehren sollten.« Er zupfte sich an seinen Bartenden. »Doch zerbrechen wir uns nicht den Kopf über Probleme, die wir erst noch zu lösen haben. Wir wollen den nächsten Stern analysieren, das ist alles. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie jede Information, die Sie in dieser Richtung erhalten sollten, sofort an die Kommandozentrale weiterleiten. Reginald Bull oder ich sind jederzeit dort erreichbar. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, denn von ihm wird alles abhängen. Danke.«
Beifall begleitete seinen Abgang.
***
Kurz bevor BOX-7149 die zum Eintauchen in den Linearraum nötige Geschwindigkeit erreichen konnte, geriet das Schiff in mehrere sich überlagernde energetische Felder. Die Folge waren der Ausfall zahlreicher Anlagen und der Abbruch der Funkverbindung zur Erde.
Zusammen mit Pos-1 inspizierte Goshmo-Khan die entsprechenden Sektionen und stellte zu seiner Überraschung fest, dass sich vor Ort keine Schäden feststellen
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