Silberband 077 - Im Mahlstrom der Sterne
während das Gehirn noch lebte?
Gucky teleportierte in sein Quartier in Imperium-Alpha. In den ersten Minuten wollte er mit seinem Fund allein sein. Er hasste offene Fragen. Aber er bekam keine Antwort, denn er konnte keine Gedankenimpulse mehr empfangen. Vielleicht hatte das Howalgonium etwas damit zu tun, aber das war eine Sache, bei der nur Goshmo-Khan helfen konnte. Der verstand mehr davon.
Gucky legte den ›Kleinen Kondor‹, wie er seinen Fund fast zärtlich nannte, vorsichtig auf sein Bett und setzte sich selbst in den Sessel. Nun erst hatte er Gelegenheit, das seltsame Wesen näher zu betrachten.
Für seine Größe hatte es auffallend zierliche und dünne Laufbeine, die fast elegant wirkten. Die Flügel waren verkümmert und ermöglichten keinen sicheren Flug mehr, dafür ragten unter den Stummeln kräftig wirkende Arme hervor. Die Hände besaßen drei gut ausgebildete Finger. Der schräg abstehende Daumen war dick. Das geringe Gewicht des Wesens ließ auf hohle Röhrenknochen des Skeletts schließen. Der Kopf war verhältnismäßig groß, der Schnabel kurz und kräftig. Die beiden Augen, die weit geöffnet waren, verrieten Intelligenz. Rechts und links der Schnabelwurzel fielen die beiden langen, beweglichen Ohren auf.
Federn konnte Gucky nur noch an manchen Stellen des himbeerfarbenen Körpers entdecken. Ein eng anliegendes Kleidungsstück, eine Art Kombination, verdeckte einen Teil der nackten Haut. Der Stoff war elastisch und hellgelb gefärbt.
Gucky schrak aus seinen Überlegungen hoch, als jemand an der Tür klopfte. Er fing Goshmo-Khans Gedankenimpulse auf. Der Wissenschaftler trat ein und blieb mit einem Ruck stehen, als er den Fund des Mausbibers erblickte.
»Da staunst du, was?«, erkundigte sich Gucky. »Ich weiß auch nicht, was es ist, aber es war in dem Howalgonium. Es muss tot sein, aber es hat gedacht. Sonst hätte ich es ja auch kaum gefunden. Wie kann es in den Silo gelangt sein?«
Goshmo-Khan setzte sich so, dass er das Vogelwesen im Auge behielt. »Ich könnte mir denken, dass bei der Transition der Erde die Howalgoniumkristalle eine gewisse Strukturveränderung erfuhren, die sie in ihrer Gesamtheit zu einer Art Empfangstransmitter werden ließen. Dieses Wesen dort, vielleicht schon lange Zeit in seinem merkwürdigen Zustand durch den Weltraum treibend, wurde angezogen und transmittiert.« Er seufzte. »Im Moment habe ich keine bessere Erklärung für das Phänomen.«
»Ist es tot?«
Goshmo-Khan beugte sich vor und ließ seine Hände mit erstaunlicher Zartheit über den vertrockneten Körper des Kleinen Kondors gleiten, dann lehnte er sich wieder zurück.
»Ich würde sagen – ja. Aber wenn das Ding denken kann, ist es nicht richtig tot. Vielleicht befindet es sich in einem Zustand der Hibernation. Wir müssen Rhodan unterrichten.«
Im medizinischen Labor erfolgte eine erste gründliche Untersuchung des Kleinen Kondors, aber das Ergebnis war enttäuschend. Das Wesen war ohne jeden Zweifel klinisch tot und konnte aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht mehr zum Leben erweckt werden, obwohl die Messungen bewiesen, dass Gehirnströme vorhanden waren. Gucky selbst empfing keine Impulse mehr.
»Das mag am Howalgonium liegen«, vermutete Goshmo-Khan. »Die Strahlung hat die schwachen Impulse entsprechend verstärkt, und auch das nur für eine gewisse Zeitspanne. Ich fürchte, da können wir nichts mehr machen.«
Fellmer Lloyd äußerte die Vermutung, es könne sich bei dem Kleinen Kondor um den Angehörigen eines raumfahrenden Volks handeln, der während eines Flugs starb und aus dem Schiff entfernt wurde. Auch irdische Raumfahrer erhielten eine ähnliche Bestattung.
Rhodan entschied, dass niemand das Recht habe, die ewige Ruhe des toten Wesens zu stören. Es sollte dem Weltraum zurückgegeben werden. Der bevorstehende Start des Posbiraumers bot die beste Gelegenheit dazu. Zwar erhoben einige Biologen Einspruch, sie wollten die Gelegenheit nutzen, den Angehörigen eines unbekannten Volks genauer zu untersuchen, aber Rhodan blieb bei seinem Entschluss. Gucky erhielt die Erlaubnis, den Kleinen Kondor mit an Bord von BOX-7149 zu nehmen.
Die instinktive Scheu vor dem Tod war auch dem Mausbiber eigen, aber seltsamerweise empfand er keinerlei Beklemmung, als er mit seinem unheimlichen Gast in eine der zahlreichen Kabinen teleportierte und ihn auf das Bett legte. Er setzte sich und betrachtete ihn.
»Kleiner Kondor, ich hätte dir gern geholfen, aber wie soll ich wissen, was gut
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