Silberband 079 - Spur des Molkex
nötige Gerät zu schleppen und zu installieren hatten. Durch eine Schleuse waren sie in einen der wenigen belüfteten Stollen eingedrungen, die das Innere des Asteroiden durchzogen. Krohl hatte trotzdem darauf bestanden, dass die Schutzanzüge unter Weltraumbedingungen getragen würden.
Der Gang erweiterte sich ein wenig. In die rechte Seitenwand eingegossen fand sich ein gewölbtes, kreisförmiges PEW-Auge, das zutage tretende Ende einer PEW-Ader, durch die die acht Altmutanten ihr Gefängnis verlassen konnten, wenn sich ihnen ein geeigneter Gastkörper zur Verfügung stellte.
Das Gerät wurde aufgebaut. Die terranische Wissenschaft hatte vielerlei Methoden untersucht, mit denen man den Kontakt mit den Eingeschlossenen pflegen konnte. Als die wirksamste hatte sich nach langem Herumprobieren schließlich jene erwiesen, die gleichzeitig auch die primitivste war. Das PEW-Metall wurde in mechanische Schwingungen versetzt. Die Mutantenbewusstseine waren in der Lage, die Schwingungen wahrzunehmen und auch selbst zu erzeugen. Dabei hatte man sich auf einen Kode geeinigt, dessen einzelne Zeichen sich durch verschiedene Schwingungsfrequenzen voneinander unterschieden. Da alle Frequenzen im akustischen Bereich lagen, hörte sich ein Versuch, mit den Mutanten in Verbindung zu treten, wie das Quietschen einer elektronischen Orgel an.
»Beim Installieren der Geräte bitte beeilen!«, dröhnte Oberst Krohls Stimme. »Setzen Sie drei Überträger auf das PEW-Auge, damit wir guten Kontakt bekommen!«
Die Männer der TALLAHASSEE gaben sich alle Mühe, den Ungeduldigen zufrieden zu stellen. Der Aufbau der teilweise recht komplizierten Geräte war innerhalb von 15 Minuten abgeschlossen. Hauptbestandteil der Installation bildete ein Übersetzer, auch Demodulator genannt, der aus den empfangenen Frequenzen unmittelbar lesbare Zeichen erzeugte und sie auf einem kleinen, tragbaren Bildgerät abbildete.
»Fertig!«, knurrte Krohl entschlossen. »Ich fange an zu senden.«
Er trat zu einer Konsole mit übergroßen Tasten, die auch mit den Handschuhfingern des Schutzanzugs einwandfrei bedient werden konnten. Krohl tippte eine Serie von Zeichen, die den mit den Mutanten vereinbarten Rufkode darstellten, und sogleich trat der mechanische Oszillator in Tätigkeit und erzeugte eine Reihe schriller Pfeiftöne, die auf dem Weg über die schalenförmigen Überträger in das PEW-Metall injiziert wurden. Der Koderuf wurde zweimal wiederholt, dann galt es zu warten.
Thomas Kantenbergs Spannung war bis an die Grenze des Unerträglichen gewachsen. Wenn alles gut ging, würde er in wenigen Minuten das Bewusstsein eines Mutanten in sich tragen, das Bewusstsein des Teleporters Tako Kakuta, eines Mannes, der zu Lebzeiten schon zur Legende geworden war. Alleine damit schon hatte er mehr erreicht, als Leticron vernünftigerweise von ihm erhoffen konnte. Er brauchte sich nur von Krohls Gruppe abzusetzen und nach Zabrijna zurückzukehren, um dem Überschweren die reichste Beute, die dessen Kriegszug gegen das ehemalige Imperium der Terraner bis jetzt eingebracht hatte, zu überbringen.
Aber seine Pläne gingen weiter. Leticron hatte der irdischen Menschheit Feindschaft bis zum letzten Blutstropfen geschworen. Sein Hass gegen die Solarier war keine Psychose, die er um jeden Preis befriedigen musste. Wie bei allem, was Leticron dachte und tat, gab es auch hier einen logischen Beweggrund: Der Pariczaner fühlte sich seiner Herrschaft nicht sicher, solange nicht auch der letzte Überrest des Solaren Imperiums zerschlagen war. Aus diesem Grund war für Leticron nichts wichtiger, als zu erfahren, wo sich die Überreste der Menschheit versteckt hielten. Dass es ein solches zentrales Versteck gab, war dem Corun of Paricza und seiner Umgebung schon seit einiger Zeit klar. Nur wussten sie bislang nicht einmal ansatzweise, wo sie es zu suchen hatten.
Thomas Kantenberg würde dieser Ungewissheit ein Ende bereiten. Er würde die Provcon-Faust kennen lernen, die geheime Zufluchtstätte der Solarier. Er würde sich ihre Koordinaten beschaffen und dann zu Leticron zurückkehren, im Besitz nicht nur eines der fähigsten Mitglieder des Alten Mutantenkorps, sondern auch der Daten, die der Überschwere benötigte, um den letzten, entscheidenden Schlag gegen die sterbende Menschheit zu führen. Er hoffte mit Inbrunst, dass nicht im letzten Augenblick noch etwas schief ging, was ihn um den Erfolg brachte. Warum antworteten die Mutanten nicht? Waren sie überhaupt noch hier?
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