Silberband 079 - Spur des Molkex
Draußen, nicht weit von Wabe 1000 entfernt, standen zwei pariczanische Walzenschiffe, Leticrons Spione, die diese Gegend bewachten. Würden sie sich ruhig verhalten, wenn die TALLAHASSEE wieder auf Fahrt ging? Oder würde die Verlockung eines billigen Siegs über das kleine Raumschiff sie zur Unvorsichtigkeit verleiten? Es gab Hunderte von Möglichkeiten, Thomas Kantenbergs Vorhaben zu vereiteln, und für ihn gab es nur die Hoffnung, dass keine von ihnen Wirklichkeit wurde.
Er fuhr auf, als er in seinem Helmempfänger einen halblauten, überraschten Ausruf hörte.
»Wir haben Antwort!«, sagte Krohl.
Krohl selbst war als Erster an der Reihe. Ihn hatten die Experten als Gastgeber des Hypnos André Noir bestimmt. Inzwischen hatte man mit den acht Mutanten vereinbart, in welcher Reihenfolge sie in Abständen von jeweils vier Minuten an der Abschlussfläche der PEW-Ader erscheinen sollten.
Krohl platzierte sich unmittelbar vor das schimmernde Paratransauge. Physischer Kontakt mit dem Metall war nicht erforderlich. Jedes lebende Wesen umgab eine Sphäre hyperenergetischer Aktivität, Aura genannt, die über die Grenzen des Körpers hinausreichte. Nur diese Sphäre brauchte mit dem metallenen Lebensmedium der Altmutanten in Berührung zu stehen, dann war die Übergangsmöglichkeit geschaffen.
Kantenberg musterte den Oberst scharf. Er selbst kam als Zweiter dran. Er wollte wissen, wie sich Krohl in dem Augenblick verhielt, in dem das Bewusstsein des Mutanten auf ihn überging. Der kritische Augenblick war nur noch wenige Sekunden entfernt. Die Männer von der TALLAHASSEE hatten sich längst zurückgezogen. Unnatürliche Stille herrschte in dem hell erleuchteten Felsengang.
Da war es …! Plötzlich schloss Krohl die Augen, als blende ihn etwas. Eine Sekunde lang schien er um sein Gleichgewicht zu kämpfen, trat einen unkontrollierten Schritt nach vorne und wankte ein wenig. Sofort aber war er wieder der Alte. Er sah sich um. Die spannungsgeladenen Mienen seiner Leute schienen ihn zu erheitern.
»Was stehen Sie da und starren?«, herrschte er sie lachend an. »Los, es geht weiter! Wer ist als Nächster an der Reihe?«
Kantenberg horchte aufmerksam. War das Krohl, der da sprach, oder war es André Noir, der sich der Sprechwerkzeuge seines Gastkörpers bediente?
»Wie fühlen Sie sich?«, platzte er heraus. Es war keine besonders kluge Frage; aber die innere Spannung hätte ihn zerrissen, hätte er sie nicht ausgesprochen. Hastig fügte er hinzu: »Wie war es im Augenblick des Übergangs?«
Krohl hob die Schultern. »Das lässt sich schwer beschreiben«, antwortete er. »Plötzlich war da etwas. Mir wurde schwindlig. Aber es dauerte nur eine Sekunde, dann war alles wieder in Ordnung.«
»Und jetzt? Spüren Sie etwas?«
»Nichts«, behauptete Krohl. »Und jetzt, wenn Sie die Erfahrung vielleicht lieber am eigenen Leibe machen als mich danach ausfragen wollten … Sie sind doch als Nächster dran, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Kantenberg bedrückt und trat auf das Paratransauge zu.
Er war so erregt, dass es ihn Mühe kostete, sich auf die vordringlichste Aufgabe zu konzentrieren. Es blieben ihm noch etwa zwei Minuten, das Pseudobewusstsein aufzubauen, das seine wahren Gedanken vor jedem unerwünschten Zugriff abschirmte. Tako Kakuta war Teleporter, nicht Telepath. Er würde seine Gedanken wahrscheinlich ohnehin nicht erkennen können. Aber Thomas Kantenberg wollte auch nicht das geringste Risiko eingehen. Er fuhr dieselbe Reihe von Gedanken entlang, an denen er das Pseudobewusstsein schon einmal orientiert hatte: Zabrijna, Lager, Leticron, Misshandlung, Revolte, Flucht … Es ging diesmal leichter, weil er mehr Übung hatte. Er sah auf die Uhr: noch vierzig Sekunden bis zum vereinbarten Zeitpunkt.
Er blickte gerade vor sich hin. Zwei Schritte entfernt stand Zabel, zierlich und schlank, die großen Augen auf ihn gerichtet, so, wie er zuvor auf Krohl gestarrt hatte. Sie sollte Betty Toufry übernehmen. Noch dreißig Sekunden. Kantenberg spürte, wie sich trotz der Klimatisierung des Anzugs Schweiß auf seiner Stirn bildete. Er blinzelte, als ihm ein salziger Tropfen ins Auge rann.
Und da kam der Mutant …!
Kantenberg war viel zu erregt, um zu merken, was im Einzelnen mit ihm geschah. Wie Krohl fühlte er sich einen Atemzug lang schwindlig und hatte die Augen unwillkürlich geschlossen, weil die Welt sich um ihn zu drehen begann. Aber im Nu hatte er den Halt wiedergefunden, und wenn ihm jetzt, nur wenige
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