Silberband 081 - Aphilie
vertrauenswürdig. Es fiel schwer, an die nächstenliebende Selbstlosigkeit dieses Mannes zu glauben.
»Borneo«, sagte Sergio schwer. Er war fest entschlossen, beim geringsten Zögern Trailokanats mit Sylvia das Büro zu verlassen und nie zurückzukehren. Es musste einen besseren Weg nach Borneo geben als über die Vermittlung des Dicken.
Jäh richtete sich der Thai auf, sodass er eine halbe Handbreit zu wachsen schien. Der selbstgefällige Ausdruck seines schwammigen Gesichts verschwand. »Hier ist nicht der Platz, um über Borneo zu reden«, stieß er hastig hervor. »Ihr kommt am besten mit mir.«
Er führte sie durch die Tür in einen Gang, in den weitere Zugänge mündeten. Das Ende des Korridors schien aus einer soliden Mauer zu bestehen. Erst als Trailokanat unverständliche Worte murmelte, stellte sich heraus, dass die Wand in Wirklichkeit eine verborgene Tür war. Der Gang setzte sich dahinter fort und mündete nach etwa acht Metern in einen quadratischen, behaglich ausgestatteten, aber fensterlosen Raum, der von altmodischen thailändischen Lampen angenehm erhellt wurde.
Trailokanat ließ seine Besucher Platz nehmen. Er offerierte Drinks, die Sylvia und Sergio jedoch ablehnten, weil sie immer noch nicht wussten, was sie von ihm zu halten hatten, und weil es leicht war, dem Getränk eine Droge beizumischen. Trailokanat nahm die Ablehnung lächelnd zur Kenntnis. Zwar galt unter Aphilikern jedes Lächeln als Ausdruck des Mangels an rationaler Selbständigkeit, aber es gab auch regionale Gewohnheiten. Unter Asiaten war das Lächeln daher nach wie vor ein zulässiger Gesichtsausdruck.
»Ihr wollt also nach Borneo?«, eröffnete Trailokanat mit seiner unnatürlich hohen Stimme die Unterhaltung. »Wie kommt ihr auf den Gedanken, dass ich euch dabei helfen könnte?«
»Man hat uns in Teheran deinen Namen genannt, Bruder«, antwortete Sergio.
Der Thai nickte gewichtig. »Dort gibt es eine große Kolonie der Immunen.« Plötzlich sah er auf und musterte Sergio scharf. »Ihr seid Immune?«
»Nein«, log Percellar, ohne mit der Wimper zu zucken.
Trailokanat neigte den Kopf. »Ich verstehe, dass du dich nicht preisgeben darfst, Bruder. Aber wie kannst du mir beweisen, dass du kein Agent bist?«
»Die Polizei sucht nach uns«, gestand Sergio. »Wenn du Beziehungen hast, wirst du in Erfahrung bringen, dass wir gestern aus ihrem Hauptquartier ausgebrochen sind.«
Abermals nickte Trailokanat. »Ich glaube dir sogar. Und ich werde euch helfen, nach Borneo zu gelangen. Unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Ihr rezitiert das Buch und erlaubt mir, den Text aufzuzeichnen.«
Sergio sprang auf. »Woher weißt du …?«, stieß er beinahe keuchend hervor. Seine Rechte zuckte zum verborgenen Strahler.
Trailokanat machte eine beschwichtigende Geste. »Errege dich nicht!«, riet er milde. »Denn durch Erregung verrätst du, dass du kein Aphiliker bist. Im Übrigen lass dich informieren, dass ich gute Beziehungen nach Teheran besitze. Ihr wurdet mir avisiert, und ich weiß, dass ihr das Buch in euch tragt.«
Sergio wandte sich mit einem fragenden Blick an Sylvia.
»Ihr müsst euch nicht sofort entscheiden«, bot Trailokanat an. »Ihr seid meine Gäste. Dieser Raum steht zu eurer Verfügung. Ich gehe und komme erst in einer Stunde zurück. Dann lasst mich wissen, wie ihr euch entschlossen habt.«
»Und wenn wir auf dein Angebot nicht eingehen?«, fragte Sylvia hastig.
Trailokanat zuckte mit den Schultern. »Dann seid ihr frei und könnt gehen, wohin ihr wollt.«
Nach fünfundvierzig Minuten angestrengten Debattierens waren Sylvia und Sergio sich noch nicht darüber einig, ob sie Trailokanat vertrauen durften. Sergio sah in dem fettleibigen Thai einen habgierigen Geschäftemacher, der sie der Polizei überantworten würde, sobald er den Text des Buches aus ihnen herausgeholt hatte. Sylvia dagegen meinte, er sei ein verkappter Immuner. Das Buch war, wenn seine Echtheit sich garantieren ließ, trotz der Maßnahmen der Regierung Tausende Solar wert. Aber selbst abgesehen von dem Wert, den die Aufzeichnung darstellte, war Trailokanat nach Sylvias Ansicht als Immuner generell an der Verbreitung des Buches interessiert.
Schließlich einigten sie sich, auf Trailokanats Angebot einzugehen. Sie würden den Text rezitieren, hier, in diesem Raum. Sergio würde dabei den Strahler schussbereit halten und beim geringsten Anzeichen für Verrat den Thai erschießen.
Auf die Sekunde genau nach Ablauf der Stunde war
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