Silberband 081 - Aphilie
Äußerlich hatte sich wenig verändert, wenn auch die farbenfrohen Fassaden der Gebäude einem eintönigen Grau gewichen waren. Die nüchternen Aphiliker benötigten keine Farben.
Tausende Menschen bewegten sich auf den Transferstraßen, den freien Plätzen und in der Nähe der Häuser. Ihre Stille war bedrückend. Teer Nagel sah nur wenige Frauen und Männer miteinander reden. Die Aphilie hatte alle Formen der zwischenmenschlichen Beziehungen fast völlig ausgelöscht.
Das war eine andere, eine fremde Stadt. Es war keine menschliche Stadt. Überall patrouillierten Polizeiroboter. Teer Nagel ging ziellos davon, um nicht die Aufmerksamkeit der Roboter zu erregen.
Die Stadt hatte etwas Erdrückendes. Teer Nagel glaubte, ersticken zu müssen, wenn er länger hier blieb. Er kämpfte dagegen an. Falls er sich nicht an diese Umgebung gewöhnen konnte, würde seine Mission scheitern.
Teer Nagel überquerte den freien Platz und ging am Gebäude der Administratoren vorbei in die Wega-Allee. Die meisten Geschäfte waren geschlossen, weil die Menschen von zentralen Stellen aus mit den notwendigen Gütern versorgt wurden.
Er wechselte auf ein schneller dahingleitendes Transferband. Die Howalgoniumsäule, die früher auf einem Hügel am Ende der Allee gestanden hatte, war verschwunden. In ihrer unmittelbaren Umgebung hatte es zahlreiche Tanzlokale gegeben, die längst verfielen. Teer Nagel registrierte, dass nirgends Musik erklang.
Als er das Band verließ, wurde er von einem schwarzhaarigen Mann angehalten. Der Unbekannte trug einen fleckigen Regenumhang und hochhackige Stiefel. »Warte einen Augenblick, Alter«, sagte er.
Die Stimme klang gleichgültig. Teer Nagel blieb stehen und blickte den anderen furchtsam an.
»Schon eine Versicherung abgeschlossen?«, erkundigte sich der Fremde.
Teer Nagel wusste wirklich nicht, um was es ging. Aus Angst, einen Fehler zu machen, gab er keine Antwort, sondern wandte sich ab. Der junge Mann hielt ihn am Arm fest. Teer Nagel wollte sich losreißen, aber er bekam sich rechtzeitig unter Kontrolle.
»Eine Versicherung«, sagte der Schwarzhaarige, »ist immer noch der beste Schutz gegen die Zwangseinlieferung in die Stummhäuser.«
»Mir ist gleichgültig, was mit mir geschieht«, erwiderte teer Nagel.
»Hast du Arbeit?« Die Stimme klang lauernd.
»Nein.«
»So. Und wovon lebst du dann?«
Das Gespräch geriet in Bahnen, die Gefahr verhießen.
Der Fremde grinste breit. »Ersparnisse, wie?«
»Ein wenig«, sagte teer Nagel.
Der andere hielt ihm eine gelbe Karte aus Kunststoff unter das Gesicht. »Dreißig Solar. Eine einmalige Prämie. Sobald sie dich auffordern, in das zuständige Stummhaus zu kommen, rufst du deinen Agenten an. Er kümmert sich dann um alles.«
Teer Nagel hatte einhundertfünfzig Solar bei sich. Diese Summe galt als unverdächtig, auch bei einem alten Mann. Um den Fremden loszuwerden, griff er in die Tasche und holte das Geld hervor. Er zählte dreißig Solar ab und gab sie dem Schwarzhaarigen. Dafür erhielt er die gelbe Karte.
»Wo lebst du eigentlich?«, wurde er gefragt.
»Trizano-Sektor«, sagte er. »Zwölfter Straßenkorridor.« Atlas Cimarron hatte ihm diese Adresse genannt. Bei der Polizei war dort ein Grown teer Nagel registriert.
Er hatte gehofft, dass der junge Mann sich nun zurückziehen würde, sah sich aber getäuscht.
»Trizano-Sektor? Dort soll ein Outsider leben.«
»Ich weiß nicht«, sagte teer Nagel. »Ich muss jetzt weiter.« Er setzte sich in Bewegung.
Der Fremde blieb an seiner Seite. »Mit dir stimmt irgendetwas nicht, Alter. Ich habe ein Gefühl für so etwas.«
»Verschwinden Sie endlich!«, bat teer Nagel verzweifelt. »Ich habe Ihnen eine Karte abgekauft und möchte meine Ruhe haben.«
»Vielleicht bist du registriert«, fuhr der Mann im Regenumhang fort. »Die Regierung zahlt zwanzig Solar für die Ergreifung eines Registrierten. Es gibt genügend alte Spinner, die nicht in Stummhäusern leben wollen.«
»Zum Teufel«, sagte teer Nagel. Er sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.
»Wir machen einen kleinen Spaziergang«, drängte der Mann. »Sobald ich dich bei der nächsten Polizeistation abgeliefert habe, lasse ich dich in Ruhe. Du verstehst doch, dass ich mir zwanzig Solar verdienen möchte?«
Teer Nagel griff in die Tasche und zog einen Fünfzig-Solar-Schein heraus. »Hier«, sagte er, »nehmen Sie das und verschwinden Sie!«
Der Mann nahm das Geld. »Das ist nicht genug!«, sagte er erbarmungslos. »Ich will
Weitere Kostenlose Bücher