Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
an. Er legte einen Finger an die Lippen in der Hoffnung, dass diese Geste ihm helfen würde. Dennoch stieß die Frau einen Schrei aus und ließ den Krug fallen.
»Verdammt!« Tekener rannte auf die Frau zu. Sie war jung und hübsch, hatte aber einen müden Gesichtsausdruck. Als er sie erreicht hatte, erschien aus einem der Seitengänge ein Mann, ebenfalls ein Terraner. Zu Tekeners Überraschung hielt der Unbekannte eine Waffe in der rechten Hand.
»Bleiben Sie stehen!«, rief der Mann.
Tekener warf sich nach vorn und riss die Frau mit sich zu Boden. Er hörte den Mann fluchen und heranstürmen und rollte mit der Frau seitwärts bis fast unter ein Fass. Die Frau schrie unentwegt und versuchte, sich loszureißen. Tekener stieß sie von sich und richtete sich auf, das Fass als Deckung nutzend.
Aus etwa zwanzig Metern Entfernung schoss der Mann. Es gab einen trockenen Knall, als das große Fass platzte. Ein Schwall hellbrauner, aromatisch riechender Flüssigkeit ergoss sich über Tekener und ließ ihn taumeln. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
Der Mann schien anzunehmen, dass er Tekener getroffen hatte, denn er kam, ohne zu zögern, näher, die Waffe schussbereit in der Hand. Tekener blieb reglos liegen, während die Flüssigkeit nur noch in dünnen Fäden auf ihn heruntertropfte.
Dann stand der Mann breitbeinig vor ihm. »Das scheint dieser Gefangene zu sein, der entkommen ist«, sagte er zu der Frau, die auf die andere Seite des Gewölbes gekrochen war. Er beugte sich über den vermeintlich Verletzten.
Tekener rammte ihm beide Füße in den Leib. Der Mann taumelte zu Boden. Gleichzeitig kam Tekener wieder auf die Beine, seine Kleidung klebte am Körper, aus den Haaren rann hellbrauner Saft und brannte in den Augen.
Wie durch einen Schleier sah der Zellaktivatorträger den Gegner am Boden liegen. Der Terraner schien benommen, denn er hob nur langsam den Kopf. Bevor er wieder schießen konnte, versetzte Tekener ihm einen Schlag gegen die Kinnspitze. Der Mann wurde schlaff. Tekener nahm ihm die Waffe ab und sah, dass es ein kleiner Desintegrator war.
Die Frau schrie wieder. Offenbar fürchtete sie, dass Tekener sie erschießen würde.
»Still!«, herrschte er sie an. »Wenn Sie still sind, wird Ihnen nichts geschehen.«
Sie schluchzte, aber sie beherrschte sich. Tekener schätzte, dass er nicht besonders Vertrauen erweckend aussah. Er deutete zum Ende des Gewölbes. »Wohin führt dieser Gang?«
»In … andere Sektionen«, brachte sie hervor.
»Wie lange leben Sie schon hier?«
»Zwei Jahre.«
Tekener musterte sie nachdenklich. Sicher war es sinnlos, dass er den Versuch unternahm, ihr zu helfen. Sie war voll in Leticrons Gehilfengruppe integriert. Wahrscheinlich war sie sich der Tatsache, dass sie im Grunde eine Sklavin des Ersten Hetrans war, überhaupt nicht bewusst.
»Verlassen Sie diesen Keller nicht!«, befahl Tekener. »Ich werde zurückkommen.« Er rannte weiter. Die Frau würde nach zehn oder fünfzehn Minuten ihre Fassung zurückgewinnen und Alarm schlagen. Bis zu diesem Zeitpunkt musste er sich möglichst weit vom Keller entfernt haben.
Tigentor und Barratill standen noch unter dem Eindruck des Mordes an Ertyn Grammlond. Die Bewusstseinsinhalte der Mutanten bemühten sich vergeblich, ihre Träger zu beruhigen. Empörung über die unmenschliche Tat des Ersten Hetrans und Trauer über den Verlust des gemeinsamen Freundes beherrschten die Mucys. Betty Toufrys telepathischer Hinweis, dass Leticron jeden Menschen wahrscheinlich mit der gleichen Skrupellosigkeit umgebracht hätte, überzeugte Tigentor nicht.
Er hat sich nicht einmal der Mühe unterzogen, herauszufinden, wie wir wirklich sind, dachte Kertan Tigentor deprimiert. Für ihn war Grammlond eine Art Maschine, die man aufschraubt, um ein Teil zu entnehmen.
»Er hatte nicht viel Informationen über euch«, erinnerte Tako Kakuta. »Er wusste nur, was er auf seine Art spüren und Tekeners mentaler Schwingung entnehmen konnte.«
Tigentor reagierte mit unerwarteter Sensibilität. Das beweist nur, dass Tekener und Sie uns auch nicht als vollwertige Menschen anerkennen, dachte der Cyborg bitter. In Ihren Gedanken entdeckte der Erste Hetran Informationen über Automaten, nicht aber über Menschen.
Kakuta hielt es für besser, seine Gedanken zu bremsen. Die beiden überlebenden Cyborgs steckten in einer schlimmen psychischen Krise. Die Bewusstseinsinhalte wurden dadurch gefährdet, denn der Lebensüberdruss der Mucys konnte sich
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