Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
Laut aus einem der beiden schmalen, in völliger Dunkelheit liegenden Korridore erklungen war. Je länger er jedoch überlegte, desto unsicherer wurde er, ob er überhaupt ein Geräusch gehört hatte, das von einem lebenden Wesen stammte.
Er überquerte die Brücke. Auf dem Podest konnte er erkennen, dass einer der beiden schmalen Gänge doch schwach erhellt war. Zögernd trat er hinein, von dem Wunsch beseelt, irgendetwas zu tun, was sich der Kontrolle seiner Befreier entzog und gleichzeitig zu seiner eigenen Sicherheit beitrug.
In der Luft hing jetzt ein Geruch von Feuchtigkeit und Moder. Je weiter Tekener in den Gang eindrang, desto heller wurde es. Er hielt den erbeuteten Desintegrator schussbereit, obwohl dessen psychologischer Effekt größer war als die Schusskraft.
Er hörte ein Stöhnen. Ein Geräusch folgte, als würde ein Stapel Steine umfallen. Diesmal war keine Täuschung möglich. Irgendwo vor Tekener hantierten lebende Wesen.
Jäh war der Gang zu Ende. Der Boden brach abrupt ab, und öffnete sich zu einem riesigen Kessel. Der Hohlraum war gut zehn Meter tief und durchmaß mindestens fünfzig Meter. Am Boden des Kessels krochen zerlumpt aussehende Gestalten umher. Sie waren gefangen.
Angewidert und entsetzt zugleich blickte Tekener in die Tiefe. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kessels befand sich ebenfalls ein in die Felsen führender Gang. Er vermutete, dass man den Gefangenen von hier oben aus Nahrung zuwarf.
Einer der Unglücklichen stapelte Steinbrocken vor sich auf. Als er sein Werk vollendet hatte, betrachtete er es mit Missfallen und stieß die kleine Mauer wieder um.
Tekener ging in die Hocke und legte die Hände trichterförmig an den Mund. »He!«, rief er zu den acht Gefangenen hinab.
Jene, die gerade mit irgendetwas beschäftigt gewesen waren, blickten zu ihm hinauf, die anderen blieben apathisch liegen. Hoffentlich erwarteten sie nicht, dass er gekommen war, um sie mit Nahrung zu versorgen, dachte Tekener bitter.
Der alte Mann, der die Mauer aufgebaut hatte, kam an den Rand des Kessels. Wie lange lebte er schon dort unten? Sein Gesicht war von einem wild wuchernden Bart entstellt, die Augen lagen tief in den Höhlen.
Tekener bedauerte schon, dass er die Aufmerksamkeit der Unglücklichen auf sich gelenkt hatte. Wie sollte er ihnen helfen? Er würde sich nur selbst in Schwierigkeiten bringen, wenn er länger hier blieb. In einer schrecklichen Vision sah er sich ebenfalls am Boden herumkriechen und auf sein Ende warten – endlos lang.
»Seid ihr Gefangene des Ersten Hetrans?«, fragte er den alten Mann, der unverwandt zu ihm heraufsah. Es war, als wollten sich die Blicke des Gefangenen an seinen Augen festsaugen.
Der Mann ist verrückt!, dachte der USO-Spezialist.
»Ich bin der Architekt«, sagte der Alte mit rauer Stimme. »Kennst du mich nicht? Ich bin Saphirocca. – Ich werde etwas schaffen, was noch keinem Menschen vor mir gelungen ist. Und dann wird Leticron mich freilassen.«
Tekener erinnerte sich, dass er auf dem Mars davon gehört hatte, dass ein Terraner namens Saphirocca die Stahlfestung Titan für Leticron konstruiert hatte. War es möglich, dass der Erbauer der Mondfestung und dieses menschliche Wrack ein und dieselbe Person waren?
Ein jüngerer Mann kam an den Rand des Kessels. »Verschwinde und lass uns in Ruhe!«, fauchte er hasserfüllt. »Wir wollen keinen von euch Speichelleckern sehen. Geht zu dem Wahnsinnigen und kriecht vor ihm auf dem Boden herum.«
»Ich bin keiner von denen«, verteidigte sich Tekener. »Mein Name ist Marquanteur. Ich wurde vom Saturn aus hierher gebracht und konnte dem Ersten Hetran entkommen. Nun suche ich nach einer Fluchtmöglichkeit.«
Der Jüngere bückte sich, hob einen von Saphiroccas Steinen auf und warf ihn nach Tekener. »Du verdammter Lügner!«, brüllte er.
Inzwischen hatte Saphirocca wieder mehrere Steine aufeinander gesetzt. Er schaute zu Tekener auf und fragte stolz: »Gefällt dir das?«
»Treten Sie zur Seite!«, befahl der Aktivatorträger knapp. Er hatte einen Entschluss gefasst.
Als Saphirocca sich zurückzog, hob er den Desintegrator und zielte sorgfältig auf die Kesselwand unter dem gegenüberliegenden Gang. Mit zwölf Schüssen ließ er eine entsprechende Anzahl von Löchern in der Wand entstehen. Ihre Anordnung war so, dass jeder daran hochklettern und den Gang erreichen konnte. Allerdings wartete er nicht, ob die Gefangenen davon Gebrauch machten, sondern wandte sich um und lief den Gang
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