Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
es erschien das teilnahmslose Gesicht eines Robotdieners.
»Du weißt, wer ich bin«, sagte Maylpancer schroff. »Ich will mit dem Ersten Hetran reden.«
»Das ist leider nicht möglich«, lautete die gleichgültige Antwort. »Er ruht.«
Maylpancer wusste, dass es wenig Sinn hatte, sich wegen eines Roboters zu erregen, den man für eine solche Sprechweise programmiert hatte. Trotzdem reagierte er ärgerlich. »Du musst ihn wecken! Sage ihm, dass es wichtig ist!«
»Er sieht Sie während des Kampfs. Das soll ich Ihnen für den Fall bestellen, dass Sie sich melden.«
Der Obskoner schaltete ab und zuckte mit den Schultern. Eigentlich hätte er gar nicht gewusst, was er Leticron sagen sollte. Er ärgerte sich, dass der Robotdiener Leticron von diesem Anruf unterrichten würde. Der Erste Hetran würde das als Schwäche auslegen.
Maylpancer ließ sich auf sein Lager zurücksinken. Seine Überlegungen kreisten um den bevorstehenden Kampf. Er sah sich vom Robotpferd sinken, die Lanzenspitze des Gegners in der Brust.
Nein!, dachte er entschlossen. Dazu darf es nicht kommen.
Ronald Tekener hatte die tiefer gelegenen Räume der Festung wieder verlassen und befand sich jetzt in unmittelbarer Nähe der großen Hangars. Er war überrascht, dass er nur wenigen Überschweren aus dem Weg gehen musste. Laren hatte er seit seiner Befreiung nicht mehr gesehen. Sie hielten sich wahrscheinlich an Bord ihres SVE-Raumers auf.
Tekener hatte aufgehört, sich Räume und Gänge einzuprägen. Er würde wohl nicht mehr lange genug in Freiheit sein, um solche Orientierungsdaten verwenden zu können. Seine Freiheit erschien ihm immer zweifelhafter. Eigentlich hatte er nur ein kleines Gefängnis mit einem größeren vertauscht, denn wie sollte er jemals aus der Stahlfestung entkommen?
Wahrscheinlich waren solche Überlegungen auch der Grund für seine nachlassende Vorsicht. Eine kühne Idee gewann immer mehr die Oberhand. Was, so fragte er sich, würde geschehen, wenn er sich den Überschweren stellte und angab, dass ein Lare ihn befreit hatte? Die Spuren bewiesen zumindest, dass er gewaltsam befreit worden war.
Konnte eine Auseinandersetzung zwischen Laren und Überschweren nützlich für ihn sein, oder – und das war die entscheidende Frage – würde es überhaupt dazu kommen? Tekener bedauerte, dass er keine Gelegenheit gefunden hatte, sich genau über die Verhältnisse auf Titan zu informieren. Was er auf Mars und Saturn in Erfahrung gebracht hatte, entpuppte sich als sinnlos, denn in der Stahlfestung war alles anders, als man auf den Planeten des Solsystems vermutete.
Tekener hörte Schritte und zog sich in einen Seitengang zurück. Drei Überschwere waren durch das große Schott auf der anderen Seite des Korridors gekommen.
»Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, zum Hof der Sieben Säulen zu gehen«, sagte einer von ihnen. »Bei der letzten Bildeinblendung waren alle Tribünen besetzt.«
»Dabei beginnt das Duell erst in sechseinhalb Stunden«, brummte einer der beiden anderen.
»Es ist ein Duell auf Leben und Tod!«, erinnerte der dritte. »Vergesst das nicht.«
Tekener hörte einen von ihnen auflachen. »Es werden hohe Wetten abgeschlossen!«
»Ich weiß«, lautete die Antwort. »Ich habe auf Leticron gesetzt.«
»Ich verstehe nicht, dass niemand Maylpancer den Sieg zutraut«, sagte die erste Stimme. »Er ist jünger als Leticron, und die Laren würden es gern sehen, wenn er Leticrons Stelle einnähme.«
Tekener hielt den Atem an. Er hörte den Namen Maylpancer nicht zum ersten Mal. Auch auf dem Mars genoss dieser junge Überschwere große Popularität. Bisher hatte Tekener jedoch alle Gerüchte, Maylpancer sollte Leticron als Ersten Hetran ablösen, für übertrieben gehalten. Er fragte sich, wer dieser Maylpancer war, dass er sich stark genug fühlte, den Ersten Hetran herauszufordern.
Und warum ließ Leticron sich auf einen solchen Kampf ein? Bisher hatte er jeden Gegner vernichtet, ohne ihm die Chance einer Gegenwehr einzuräumen.
Tekener bedauerte, dass die Überschweren am Ende des Gangs in einem Antigravschacht verschwanden, sodass er nicht mehr hören konnte, was sie noch redeten.
Die Informationen, die er soeben erhalten hatte, waren sensationell, vor allem veranlassten sie ihn, alle Überlegungen, sich den Überschweren zu ergeben, neu zu überdenken. Wenn dieses Duell wirklich in sechseinhalb Stunden stattfand, zog es die Aufmerksamkeit aller Bewohner der Stahlfestung auf sich.
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