Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
hinter den Gleiter, zog die Stiefel aus und eilte auf die Space-Jet zu. Er hatte sie fast erreicht, als das Hauptschott geöffnet wurde. Stimmen erklangen. Mit einem verzweifelten Satz warf Karl sich in die Schleuse der Jet. Er stürzte, konnte aber im letzten Moment verhindern, dass die Stiefel auf den Boden polterten. Dabei prellte er sich die Schulter. Vom Schmerz fast betäubt, blieb er liegen, bis sich Schritte näherten. Auf allen vieren verließ er die Schleuse nach innen und suchte hinter einem Pfeiler klägliche Deckung.
Jemand betrat die Jet.
Karl hielt den Atem an, als ein Mann kaum einen Meter an ihm vorbeiging, ohne ihn zu bemerken. Der andere schwang sich in den Liftschacht und ließ sich nach oben tragen.
Auf Zehenspitzen huschte Kaiser Karl weiter zu einem Mannschott. Der Zugang führte zu den Sprungfeldgeneratoren.
Nicht gerade gemütlich, aber besser als nichts, dachte er. Er betrat den Raum und setzte sich auf einen der Hochenergiewandler. Er tastete seine Jackentaschen ab, fand eine Zigarettenpackung und zog eine Vitaminzigarette heraus. Doch als er sie zwischen die Lippen stecken wollte, kamen ihm Bedenken. Der Geruch konnte ihn verraten, falls jemand wider Erwarten hier erschien.
Eine Stunde verstrich. Dann glitt das Schott wieder auf. Im letzten Moment zog Karl sich hinter einen Generatorblock zurück. Ein Techniker begann, den Hochenergiewandler zu prüfen.
Fassungslos sah Kaiser Karl zu. Er hatte keine Ahnung, was diese ungewöhnliche Aktion bedeutete. Normalerweise wurden Beiboote in der Werft inspiziert.
Nach geraumer Zeit wandte sich der Techniker dem nächsten Aggregat zu. Kaiser Karl glaubte, sich ausrechnen zu können, dass der Spezialist ihn in einigen Stunden entdecken würde. Das Warten wurde zur Qual.
Irgendwann wandte der Mann sich dem Generator zu, hinter dem Karl kauerte. In diesem Moment näherten sich Schritte.
»Alles klar, Ryot?« Das war die Stimme von Ingenieur Woys.
»Alles klar. Nur das eine Aggregat fehlt noch.«
»Das hat Zeit bis später. Wir brauchen deine Hilfe.«
Der Monteur verließ die Kammer, und Karl richtete sich vorsichtig auf. Lautlos suchte er sich ein neues Versteck.
Nur Minuten später kehrte der Techniker zurück. Spätestens jetzt hätte er den blinden Passagier entdeckt.
Eine halbe Stunde verstrich. Dann war Kaiser Karl wieder allein. Er streckte sich und zweifelte nicht mehr daran, dass er es wirklich geschafft hatte. Er wusste nur noch nicht, ob er sich wirklich an Bord der DOOGEN befand.
2.
Als das Raumschiff startete, hielt Kaiser Karl es nicht mehr im Generatorraum aus. Er hoffte einfach, dass sich außer ihm niemand an Bord des Space-Jet aufhielt.
Im Antigravschacht ließ er sich nach oben in die Zentrale tragen. Er war wirklich allein.
Über den Servo versorgte er sich mit einem Frühstück aus heißem Kaffee, gebratenen Eiern und Speck. Bislang hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, etwas zu essen. Er nahm im Sessel des Funkleitoffiziers Platz. Die Holoschirme bauten sich auf. Über den Informationskreis des Mutterschiffs konnte Karl nun eine Fülle von Daten beziehen. Sehr schnell stand fest, dass er wirklich an Bord der DOOGEN gelangt war.
Karl war mit sich und der Welt zufrieden.
Kurz nachdem Lordadmiral Atlan die Nachricht erhalten hatte, dass drei Vincraner an Bord der DOOGEN gegangen waren, um das Schiff aus der Provcon-Faust auszufliegen, wurde ihm ein Nachtrag zu Artikel 29 der Gäa-Gesetze übermittelt.
Artikel 29 legte fest, dass die Neue Menschheit des Neuen Einstein'schen Imperiums – kurz NEI genannt – als Symbol der Verbundenheit mit Terra die Zeitrechnung der verschollenen Erde beibehielt. Atlan hatte stets diese Regelung befürwortet, die von einigen Gegnern leidenschaftlich bekämpft worden war. Vor allem die jüngeren Generationen plädierten für eine gäanische Zeitrechnung, die mit der Landung des ersten terranischen Raumschiffs auf Gäa begann. Sie hatten sich nicht durchsetzen können.
Der Arkonide als unumschränktes Oberhaupt des NEI setzte seine positronische Signatur unter die Datei: Lordadmiral Atlan, Gäa, Sol-Town, 10.8.3580.
Dann wechselte er in ein Forschungszentrum im zweiten Ring von Sol-Town über. Er landete seinen Gleiter in einem weiten Innenhof.
»Vorsicht, Sir!«, brüllte jemand, als er ausstieg.
Ein Überschwerer rannte auf ihn zu, in der Armbeuge einen schweren Thermostrahler. Ein zweiter Überschwerer folgte. Der Arkonide sprang im letzten Moment vor den beiden Kolossen
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