Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
von der jüngsten Eroberung versprochen hatte.
Maylpancer war so in seine Überlegungen versunken, dass er Hotrenor-Taak erst wahrnahm, als dieser unmittelbar vor ihm stand. »Nun?«, fragte der Lare kühl.
Maylpancer blinzelte, das helle Licht der variablen Energiewände im Innern des Schiffs tat seinen Augen weh. »Ich war bei ihm«, sagte er.
Auch jetzt verlor Hotrenor-Taak nicht seine Gelassenheit, er wirkte weiterhin desinteressiert.
»Er will mit mir kämpfen«, sprudelte Maylpancer hervor.
»Das sagte ich Ihnen bereits.«
»Aber er hat einen völlig absurden Plan. Ich soll auf dem Turnierplatz gegen ihn antreten. Mit Lanzen! Auf einem Robotpferd!«
»Das ist seine Art«, bemerkte Hotrenor-Taak.
»Sie wollen es zulassen?«
»Warum nicht?«
»Das ist eine kindische Kraftprobe, ohne jeden Sinn und Zweck«, ereiferte sich der Überschwere. »Ich gehöre zu einem abenteuerlustigen Volk und scheue keine Auseinandersetzung. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass es in einer Angelegenheit, bei der es um so viel geht, andere Möglichkeiten einer Entscheidung geben muss.«
»Welche?«, fragte der Lare seufzend. Er schien sich zu langweilen.
»Sie könnten … Sie könnten … Ach was!« Maylpancer bekam einen hochroten Kopf. »Vielleicht haben sogar Sie Ihren Spaß daran. Sie wissen, dass Leticron verrückt ist und dass er nicht länger Erster Hetran sein kann. Aber statt ihn abzusetzen, geben Sie ihm eine Chance.«
»Er war sehr lange Erster Hetran«, antwortete der Lare gedehnt. »Länger als einhundertzwanzig Jahre terranischer Zeitrechnung.«
Maylpancer stemmte die Arme in die Hüften. Er blies die Backen auf. »Ich wusste nicht, dass Sie Skrupel haben. Sie werden geradezu melancholisch.«
»So wird es sein«, sagte Hotrenor-Taak.
Maylpancer wünschte, er hätte ein Mittel gehabt, die Mauer aus Überheblichkeit zu durchbrechen. Er musste sich beherrschen. Zu lange hatte er gekämpft, um diese Position zu erreichen, er wollte sie nicht im letzten Augenblick durch eine Dummheit verlieren. Wenn es sein musste, würde er eben kämpfen: auf einem Robotpferd und mit einer Lanze in der Hand.
»Immerhin hat Leticron über ein Jahrhundert lang den Kopf für uns hingehalten«, fuhr Hotrenor-Taak fort. »Sie können einwenden, dass er es aus egoistischen Motiven tat, und das ist sogar richtig. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er lange Zeit ein Erster Hetran war, der viel für das Konzil getan hat. Er hat mir oft imponiert.«
»Ihnen?«, schnaubte Maylpancer. »Wer oder was kann Ihnen schon imponieren?«
»Leticron zum Beispiel! Und ich warne Sie. Er ist angeschlagen und verrückt. Er ist ein Einsiedler mit schrulligen Ideen, aber das sollte Sie nicht dazu verleiten, ihn zu unterschätzen. Er ist müde und liebäugelt mit dem Tod, aber er wird nicht abtreten, ohne uns ein ungewöhnliches Schauspiel zu liefern.«
»Eine schöne Grabrede«, spottete Maylpancer.
»Ich hoffe, ich muss mir keine neue ausdenken – für Sie«, sagte der Verkünder der Hetosonen, bevor er sich abwandte und den Überschweren einfach stehen ließ.
15.
Ronald Tekener, der sich Kalteen Marquanteur nannte, hockte auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken an der Wand. Sein Blick war auf die Tür gerichtet und er wartete darauf, dass etwas geschah. Seit der Ankunft auf Titan und der Unterbringung hatte sich niemand mehr um sie gekümmert.
Vielleicht, dachte Kalteen-Tekener, würde er Leticron nicht einmal zu sehen bekommen. Es war möglich, dass sich der Erste Hetran überhaupt nicht selbst um die Gefangenen kümmerte. Kalteen war überzeugt, dass der Raum beobachtet und abgehört wurde; es verbot sich also von selbst, mit den drei Multi-Cyborgs über seine Pläne zu sprechen. Noch war ihre wahre Identität nicht erkannt worden. Demnach galten die Mucys als mysteriöse Überschwere, und er selbst war ein entsprungener Sklave.
Er richtete sich auf und ging zu den drei Männern am Tisch hinüber. Gegenüber den massigen Multi-Cyborgs kam er sich winzig vor. »Ich möchte wissen, wohin man uns gebracht hat«, sagte er, für die Abhöranlagen bestimmt.
»Wenn das Gerede der Beamten richtig war, befinden wir uns jetzt auf dem Saturnmond Titan«, erwiderte Vross Barratill.
Tekener stützte sich auf die Tischplatte.
»Hoffentlich erfahren wir bald, was das alles soll«, fügte Ertyn Grammlond hinzu, der den Bewusstseinsinhalt der Telepathin Betty Toufry in sich trug.
Tekener fragte sich, wie die beiden das aushielten: das
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