Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
körperlose Bewusstsein einer Psi-begabten Frau im Körper eines Cyborgs, der einem Überschweren nachempfunden war. Aber das betraf jeden der drei. Sie hatten ihm ihr Geheimnis unmittelbar nach der Ankunft auf Titan eröffnet, als sie sich einige Sekunden lang völlig unbeobachtet gefühlt hatten. Seitdem war ihm manches klarer. Er schaute Tigentor an, doch galt sein Blick eher Tako Kakuta im Körper des Multi-Cyborgs. »Ich frage mich, ob wir hier jemals wieder herauskommen«, sagte er bedeutsam.
Kertan Tigentor schüttelte kaum merklich den Kopf, ein Zeichen, dass etwas nicht in Ordnung war.
Tekener wusste, dass Wuriu Sengu im Körper von Vross Barratill durch die stählernen Wände des Gefängnisses auf den Gang blicken konnte. Allerdings war es Barratill unmöglich, darüber zu sprechen, was der Altmutant sah. Er gab Tekener lediglich ein unmissverständliches Zeichen, dass eine Flucht mit Hilfe des Teleporters unmöglich war. Das konnte bedeuten, dass ihr Gefängnis energetisch gesichert war.
Grammlond nickte heftig. Betty Toufry konnte Tekeners Gedanken zwar nicht lesen, aber sie spürte wohl aus unmittelbarer Nähe, was wichtig war.
Verdammt!, dachte Ronald Tekener. Er fragte sich, ob Energiesperren zu den Routinemaßnahmen gehörten oder ob jemand in der Stahlfestung Verdacht geschöpft hatte. Leticron war zuzutrauen, dass er die wahre Identität seiner Gefangenen schon erkannt hatte.
»Was können wir tun?«, fragte Tekener. Die Frage war unverfänglich.
»Warten!«, antwortete Grammlond knapp.
Tekener hatte sich die Lage auf Titan anders erhofft. Er verwünschte sein Zögern, als es darum gegangen war, eine letzte Fluchtmöglichkeit zu nutzen. Ein Ausspruch von Reginald Bull spukte ihm inzwischen im Kopf herum, eine angeblich alte terranische Volksweisheit, die ihre Brisanz nie verloren hatte: »Nur die dümmsten Kälber wählen sich ihre Metzger selber.« Eine verrückte Zeit musste das damals gewesen sein, als die Menschheit in den Weltraum aufgebrochen war. Aber – war das heute anders?
Der USO-Spezialist begab sich in die Badenische und aktivierte die Dusche. Vielleicht übertönte das Prasseln des harten Wasserstrahls ein flüsternd geführtes Gespräch. Ein Restrisiko ließ sich niemals ausschalten.
Er winkte Grammlond zu sich in die Nische. Danach war es plötzlich verdammt eng. Tekener fürchtete schon, an der Wand zerquetscht zu werden.
»Gibt es einen Energieschirm?«, flüsterte er. Seine Mentalstabilisierung erlaubte es der Mutantin nicht, seine Gedanken im Einzelnen zu erfassen, sonst wäre alles vergleichsweise einfach gewesen.
Grammlond nickte nur.
»Kannst du die fremden Gedanken lesen, Betty?«
»Die Wächter wissen nichts … Leticron gab den Befehl!«
»Das dachte ich mir!« Tekener verdrehte die Augen. »Der Pariczaner weiß vermutlich alles.«
»Das ist nicht sicher«, widersprach Grammlond.
Tekener beendete die Wasserzufuhr, trocknete seine Haare und kehrte nach Grammlond in den Hauptraum zurück.
Einige Zeit später brachte ein bewaffneter Roboter ein Bildsprechgerät und verschwand sofort wieder. Selbsttätig aktivierte sich die Holoprojektion. Leticron wurde sichtbar. Tekener, der ihn zum letzten Mal gesehen hatte, als der Greiko Kroiterfahrn die Galaxis besucht hatte, erschrak. Das Gesicht des Ersten Hetrans war aufgeschwemmt, die Augen verschwanden hinter schweren Falten. Das Alter hatte unübersehbare Spuren in das Gesicht dieses Mannes eingegraben.
Tekener glaubte zu verstehen, warum Leticron sich nicht mehr öffentlich zeigte. Wahrscheinlich waren seine psychischen Veränderungen noch prägnanter als die Anzeichen körperlichen Zerfalls.
»Ich begrüße Sie«, sagte Leticron spöttisch. »Es kommt selten vor, dass Gegner sich freiwillig in meine Gefangenschaft begeben.«
Kalteen Marquanteur machte einen schwachen Versuch, das begonnene Schauspiel auch jetzt noch fortzusetzen. »Wovon reden Sie?«, fragte er. »Wir haben nichts gegen Sie.«
Leticron grinste spöttisch und entblößte einige schadhafte Zähne. »Diese Vorstellung ist unter Ihrer Würde, Ronald Tekener. Ich kenne Sie und Tako Kakuta, daher weiß ich auch, warum Sie gekommen sind. Ihr Auftrag lautet, den Ersten Hetran zu beseitigen«, sagte Leticron betont. »Angesichts der Lage, in der Sie vier – oder sollte ich sagen: sieben? – sich befinden, halte ich einen solchen Ehrgeiz für übertrieben. Von mir wird es abhängen, ob Sie die nächsten Tage lebend überstehen.«
Die
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