Silberband 086 - Inferno der Dimensionen
Gemeinschaftsraum, der anstelle der Fenster mit großen Bildflächen ausgestattet war, die einen Überblick über die Trümmerwüste des Gettos ermöglichten, das Frühstück serviert. Dabei wurden echte Delikatessen aufgetragen – Frischfleisch, Hühnereier und Kuhmilch, Dinge also, die es in der Welt der Aphilie nur noch zu astronomischen Preisen gab.
Ironside erschien in Begleitung seiner Adjutanten Termaar und Prax, als die Mahlzeit beendet war. »Joupje und Artur haben versprochen, sich um Ihre Begleiter zu kümmern«, kündigte er an. »Sie, Mister Bull, und ich, wir werden uns gemeinsam die wichtigsten Installationen dieses Getto-Stützpunkts anschauen.«
Im Laufe der nächsten Stunden lernte Reginald Bull zunächst, dass die Organisation Logik des Glaubens auf der Ebene der ehemaligen Tiefgeschosse und Keller ein Verkehrssystem angelegt hatte, das mit den öffentlichen Transportmitteln der irdischen Großstädte keinen Vergleich zu scheuen brauchte. Es gab hier unten Rollsteige, breite Straßen, über die mit Antigravtriebwerken ausgestattete Fahrzeuge huschten, Gleitrampen und Antigravschächte. Der Verkehr war dicht und wohl geordnet.
»Ihre Leute sind Aphiliker, nicht wahr?«, forschte Bull.
»Ich bin die einzige Ausnahme, soweit ich weiß«, bestätigte Ironside. »Sie müssen aber bedenken, dass meiner Organisation in allen größeren Städten der Erde insgesamt achtzehn Millionen Menschen angehören. Ich kann nicht alle kennen.«
»Achtzehn Millionen …?« Bull staunte. »Wie halten Sie alle bei der Stange?«
»Durch die Logik des Glaubens«, antwortete Ironside ernst.
Im Laufe des Tags sah Reginald Bull Werkhallen, in denen Personal-Identifizierungs-Kodegeber nach den Spezifikationen der staatlichen Fertigung hergestellt wurden. Funkstationen, von denen aus über komplizierte Kodegeräte, Zerhacker und Raffer ein ungestörter Funkverkehr mit anderen Stützpunkten der Organisation unterhalten wurde. Große, von Sonnenlampen erhellte Hallen, auf deren mit echtem Gras bewachsenen Böden Kühe weideten; Obstgärten, die ebenso unter dem Glanz künstlicher Sonnen lagen, und schließlich Schulungsräume, in denen neue Mitglieder in den Grundsätzen und Leitmotiven der Logik des Glaubens unterwiesen wurden.
Am späten Nachmittag zogen beide Männer sich in Vater Ironsides Privatquartier zurück, das bemerkenswert spartanisch eingerichtet war und – in eigenartigem Gegensatz zu dem großen Kruzifix, das eine der kahlen Wände beherrschte – hauptsächlich technisches Gerät enthielt, Kommunikationseinrichtungen zumeist, mit deren Hilfe sich der Mönch über die Ereignisse außerhalb seiner Wohnung auf dem Laufenden hielt.
Eine Servierautomatik fuhr erfrischende Getränke auf. Ironside sagte: »Sie haben Fragen, nehme ich an.«
»Nur eine«, antwortete Bull.
»Und die heißt …?«
»Wie haben Sie das alles fertig gebracht?«
Ironside zögerte zunächst mit der Antwort. »Die einfachste Erklärung würden Sie nicht akzeptieren«, sagte er schließlich. »Ich hatte Hilfe, mächtige Hilfe. Da Sie damit nichts anfangen können, muss ich in Einzelheiten gehen. Sie wissen, was die Aphilie propagiert? Die Vernunft beherrscht die Welt, der Vernünftige sein Schicksal.«
»Ich kenne die Schlagworte.«
»Denen, die in der Tat vernünftig sind, besagen sie viel und scheinen die reine Wahrheit zu enthalten. Es gibt Menschen, deren Bewusstsein fast nur noch aus Intellekt besteht. Menschen, die im Leben des Alltags die unvernünftigen Triebe unterdrücken und ausschließlich rational handeln können. Für diese Menschen sind die Schlagworte gemacht. An ihnen werden sie wahr. – Aber wie viele Menschen gibt es, deren Intellekt nicht so großartig ausgestattet ist? Wie viele Menschen, in deren Bewusstsein nach dem Verlust der Emotionalität der Instinkt die Herrschaft übernahm? Menschen, die nicht rein vernünftig handeln können, die in jeder Sekunde ihres Daseins Angst empfinden, die sich gejagt vorkommen?« Er machte eine kurze Pause. Dann beantwortete er seine Frage selbst: »Ungezählte gibt es. Die Mehrzahl der Menschen wird mit der Aphilie nicht fertig. Statistiken beweisen das. Die Produktivität sinkt, die Forschung stagniert und so weiter. Was aber hat die Aphilie dieser Mehrzahl zu sagen? Wie lehrt sie, das Leben zu meistern? Überhaupt nicht. Die Aphilie bleibt den meisten Menschen gegenüber stumm und hilflos, und an dieser Stelle erscheine ich und sage zu den Ärmsten: Euer Dasein ist
Weitere Kostenlose Bücher