Silberband 089 - Sie suchen Menschen
ein.
»Warum sollten sie?«, erwiderte Splink. »Sie brachten unsere Gruppe nach Rolfth, damit wir für sie Berechnungen anstellen. Hotrenor-Taak hatte niemals die Absicht, uns außerhalb von Murnte-Neek herumlaufen zu lassen. Weshalb hätte er uns Informationen über die Eingeborenen geben sollen?«
»Es gefällt mir nicht, dass unser erstes Zusammentreffen mit einem Eingeborenen ein totaler Misserfolg war«, sagte Zartrek. »Vielleicht müssen wir deshalb mit Feindseligkeiten rechnen.«
Die Finsternis senkte sich fast schlagartig auf das Land. Nur zwei Monde mit geringer Leuchtkraft hingen am Himmel, der eine dicht über dem südlichen Horizont, der andere westlich des Zenits. Ihr Widerschein reichte nicht als Orientierungshilfe aus.
»Während der Dunkelheit können wir nicht zum Gletscher marschieren«, sagte Splink. »Ich schlage vor, dass wir bis zum nächsten Morgen hier bleiben. Das Feuer wird uns ausreichend Wärme spenden.«
»Und wenn wir von einer Horde Eingeborener überfallen werden?«, erkundigte sich Pragey.
»Dann wehren wir uns eben«, gab Splink zurück. »Ich kämpfe jedenfalls lieber gegen Wilde als gegen Laren.«
Er wunderte sich noch darüber, dass die Laren bisher nicht nach ihnen gesucht hatten, obwohl sie bei der Festnahme der Gruppe doch bemerkt haben mussten, dass drei Kelosker fehlten. Bevor er länger darüber nachdenken konnte, war er eingeschlafen.
Lemmo hockte frierend am Steilufer. Sein Stamm lebte größtenteils in natürlichen Felsenhöhlen, die von der Steilwand der Stillen Küste tief in den Fels hineinreichten. Es hieß, sie wären von den frühen Vorfahren der Ontaker angelegt worden, die zu der Zeit noch im Meer gelebt hatten, das früher weit über die Steilküste hinaus in das Land gereicht hatte.
Manchmal unternahm der Stamm eine Fangexpedition über das Eis bis dorthin, wo das Meer noch offen war. Dort wurde mit Harpunen Jagd auf Walwos gemacht, und mit langen Speeren und auch Netzen wurden Fische gefangen.
Dem Jäger krampfte sich der leere Magen zusammen, als er sich einen großen Lol vorstellte, der am Spieß über dem Feuer briet. Er seufzte. Bei seinem Hunger würde er einen Lol gleich roh verschlingen.
Lemmo kroch ein Stück weiter und beugte sich über den Rand der Steilküste. Flackernde Helligkeit kam von den Feuern dicht hinter den Höhleneingängen. Der anheimelnde Geruch von gebratenem Fleisch trieb ihn fast zum Wahnsinn.
Dort unten würde gleich das Mahl beginnen. Zwar reichte das Fleisch niemals aus, um alle Ontaker satt zu machen, aber ein halb voller Magen war immer noch besser als ein leerer.
Dem Jäger war klar, dass er es nicht mehr lange aushalten würde. Er würde hinabsteigen, obwohl er wusste, dass der Stamm ihn fortjagen würde, wenn er mit leeren Händen kam. Aber vielleicht konnte er schnell noch ein Stück Fleisch stehlen, bevor sie ihn in die Nacht hinaustrieben.
Plötzlich kam ihm eine Erleuchtung. Er brauchte ja nicht zu sagen, dass die Mabbahabas ihn verscheucht hatten. Wenn er erzählte, sie hätten ihn für seine Ungeduld bestraft, aber angedeutet, dass sie bereit wären, sich am nächsten Tag für das Fest der Großen Münder zur Verfügung zu stellen würde er vielleicht als Überbringer einer guten Nachricht an einem der Feuer Platz nehmen dürfen.
Lemmos Hunger war so stark, dass er nicht länger zögerte. Eine schmale Treppe war in mühsamer Arbeit in die Felswand geschlagen worden, und es gab schmale Simse als Verbindungsstege zwischen den Höhlen.
Die Höhle, die dem oberen Felsrand am nächsten lag, war die Wächterhöhle. Zwei Wachen streckten ihre Speere aus, als Lemmo sie erreichte. Sie trugen sogar kunstvoll gehämmerte Bronzehelme. Nur Krieger durften sich diesen Luxus erlauben.
»Erkennt ihr mich nicht?«, fragte der Jäger. »Ich bin Lemmo.«
Einer der Krieger grinste breit. »Ich sehe nur, dass du von Schande gezeichnet bist. Wenn du dich mit Steinwürfen vertreiben lassen willst, dann nur zu.«
Lemmo fühlte sich gedemütigt, dennoch nahm er eine stolze Haltung ein. »Ich habe eine wichtige Nachricht für Apasch-Faraday!«, verkündete er.
Der Krieger wurde unsicher. »Befinden sich die Wing auf dem Pfad des Unfriedens?«, erkundigte er sich.
»Es ist eine erfreuliche Nachricht«, antwortete Lemmo. »Aber ich darf sie nur dem Schamanen mitteilen.«
»Dann geh!«
Die Stufen waren schmal und teilweise mit Eis bedeckt. Wenn Lemmo nicht aufpasste, fand er sich nach einem Sturz tot am Fuß der Steilwand
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